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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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dir einen Namen gemacht. Ich will hier nicht vom Geld reden. Aber glaubst du, daß es für mich, den keine Zeitung nennt, leicht ist, neben dir, dem Gefeierten, auszuharren? Wie gerne möchte auch ich einmal eine Tat, eine einzigartige Tat, wie jene Tat, die du eben vollbrachtest, ganz alleine vollbringen und so in die Zeitung kommen, mit Druckbuchstaben gedruckt werden: Das tat Gottfried von Vittlar!«
    Mich kränkte das Gelächter des Herrn Matzerath. Er lag auf dem Rücken, wühlte seinen Buckel in die lockere Erde, rupfte mit beiden Händen Gras aus, warf die Büschel hoch und lachte wie ein unmenschlicher Gott, der alles kann: »Mein Freund, nichts leichter als das! Hier, die Aktentasche!
    Wunderbarerweise geriet sie nicht unter die Hufe der Polnischen Kavallerie. Ich schenke sie dir, birgt das Leder doch jenes Weckglas mit dem Ringfinger. Nimm dieses alles, laufe nach Gerresheim, dort steht noch immer die hellerleuchtete Straßenbahn, steige ein und fahre dich mit meinem Geschenk in Richtung Fürstenwall zum Polizeipräsidium, erstatte Anzeige, und schon morgen wirst du deinen Namen in allen Zeitungen buchstabiert finden!«
    Anfangs wehrte ich mich noch gegen das Angebot, wendete ein, er könne sicher nicht ohne den Finger im Glas leben. Er aber beruhigte mich, sagte, er habe im Grunde die ganze Fingergeschichte satt, besitze zudem mehrere Gipsabdrücke, auch habe er sich einen Abguß in nacktem Gold anfertigen lassen, ich möge nun endlich die Tasche nehmen, zur Straßenbahn zurückfinden, mit der Bahn zur Polizei fahren und die Anzeige erstatten.
    So lief ich und hörte den Herrn Matzerath noch lange lachen. Denn er blieb liegen, wollte, während ich mich gegen die Stadt hinklingelte, die Nacht auf sich wirken lassen, Gras ausreißen und lachen.
    Die Anzeige jedoch — ich erstattete sie erst am nächsten Morgen — hat mich mehrmals, dank Herrn Matzeraths Güte, in die Zeitungen gebracht. — Ich aber, Oskar, der gütige Herr Matzerath, lag lachend im nachtschwarzen Gras hinter Gerresheim, wälzte mich lachend unter einigen sichtbaren todernsten Sternen, wühlte meinen Buckel ins warme Erdreich, dachte: Schlaf Oskar, schlaf noch ein Stündchen, bevor die Polizei erwacht. So frei liegst du nie mehr unter dem Mond.
    Und als ich erwachte, bemerkte ich, bevor ich bemerken konnte, daß es taghell war, daß etwas, jemand mein Gesicht leckte: warm, rauh, gleichmäßig, feucht leckte.
    Das wird doch nicht etwa schon die Polizei sein, die, vom Vittlar geweckt, hierhergefunden hat und dich wachleckt? Dennoch öffnete ich nicht sogleich die Augen, sondern ließ mich noch ein wenig warm, rauh, gleichmäßig, feucht lecken, genoß das, ließ es mir gleichgültig sein, wer mich da leckte: entweder die Polizei, mutmaßte Oskar, oder eine Kuh. Dann erst öffnete ich meine blauen Augen.
    Sie war schwarzweiß gefleckt, lag neben mir, atmete und leckte mich, bis ich die Augen öffnete.
    Taghell war es, wolkig bis heiter, und ich sagte mir: Oskar, verweile dich nicht bei dieser Kuh, so himmlisch sie dich auch anblickt, so fleißig sie auch mit ihrer rauhen Zunge dein Gedächtnis beruhigt und schmälert. Taghell ist es, die Fliegen brummen, du mußt dich auf die Flucht machen. Vittlar zeigt dich an, folglich mußt du fliehen. Zu einer echten Anzeige gehört auch eine echte Flucht. Laß die Kuh muhen und fliehe. Sie werden dich hier oder dort fangen, aber das kann dir gleichgültig sein.
    So machte ich mich, von einer Kuh geleckt, gewaschen und gekämmt, auf die Flucht, verfiel schon nach den ersten Fluchtschritten einem morgendlich hellen Gelächter, ließ meine Trommel bei der Kuh, die liegenblieb und muhte, während ich lachend floh.

DREISSIG
    Ach ja, die Flucht! Das bleibt mir noch zu sagen. Ich floh, um den Wert der Vittlarschen Anzeige zu steigern. Keine Flucht ohne ein angenommenes Ziel, dachte ich mir. Wohin willst du fliehen, Oskar?
    fragte ich mich. Die politischen Gegebenheiten, der sogenannte Eiserne Vorhang verboten mir eine Flucht in Richtung Osten. So mußte ich also die vier Röcke meiner Großmutter Anna Koljaiczek, die sich heute noch schutzbietend auf kaschubischen Kartoffeläckern blähen, als Fluchtziel streichen, obgleich ich mir — wenn schon Flucht — die Flucht in Richtung Großmutters Röcke als einzig aussichtsreiche Flucht nannte.So nebenbei: ich begehe heute meinen dreißigsten Geburtstag. Als Dreißigjähriger ist man verpflichtet, über das Thema Flucht wie ein Mann und nicht wie ein Jüngling zu

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