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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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über mir kalberte ein ungeniertes Liebespaar. Eine Stufe unter mir eine alte Frau, die ich anfangs grundlos als Schwarze Köchin verdächtigte. Einen Hut trug sie, dessen Dekorationen Früchte bedeuteten.
    Während ich rauchte, fielen mir, ich gab mir Mühe, allerlei Bezüglichkeiten zur Rolltreppe ein: Da gab Oskar zuerst den Dichter Dante ab, der aus der Hölle zurückkehrt, und oben, wo die Rolltreppe endet, erwarteten ihn die fixen Spiegelreporter, fragen: »Na, Dante, wie war es unten?« - Dasselbe Spielchen machte ich als Dichterfürst Goethe, ließ mich von den Spiegelleuten fragen, wie ich es unten, bei den Müttern, gefunden habe. Schließlich war ich der Dichter müde, sagte mir, oben stehen weder die Leute vom »Spiegel« noch jene Herren mit den Metallmarken in den Manteltaschen, oben steht sie, die Köchin, die Rolltreppe rattert: Ist die Schwarze Köchin da? und Oskar antwortete:
    »Jajaja!«
    Neben der mechanischen Rolltreppe gab es noch eine normale Treppe. Die brachte Straßenpassanten zur Metrostation hinunter. Draußen schien es zu regnen. Die Leute sahen naß aus. Das beunruhigte mich, denn ich hatte in Düsseldorf keine Zeit mehr gefunden, mir einen Regenmantel zu kaufen. Ein Blick .nach oben jedoch, und Oskar sah, daß die Herren mit den unauffällig auffälligen Gesichtern zivile Regenschirme bei sich trugen — was dennoch nicht die Existenz der Schwarzen Köchin in Frage stellte.
    Wie werde ich sie ansprechen? besorgte ich mich und genoß das langsame Rauchen einer Zigarette auf einer langsam Hochgefühle steigernden, die Erkenntnisse bereichernden mechanischen Rolltreppe: auf einer Rolltreppe verjüngt man sich, auf einer Rolltreppe wird man älter und älter. Es blieb mir die Wahl, als Dreijähriger oder als Sechzigjähriger die Rolltreppe zu verlassen, als Kleinkind oder als Greis der internationalen Polizei zu begegnen, in diesem oder in jenem Alter die Schwarze Köchin zu fürchten.
    Es ist sicher schon spät. Mein Metallbett sieht so müde aus. Auch zeigte mein Pfleger Bruno schon zweimal sein besorgtes Braunauge im Guckloch. Da, unter dem Anemonenaquarell steht der unangeschnittene Kuchen mit den dreißig Kerzen. Womöglich schläft Maria jetzt schon. Jemand, ich glaube, Marias Schwester Guste, wünschte mir Glück für die nächsten dreißig Jahre. Maria hat einen beneidenswerten Schlaf. Was wünschte mir nur mein Sohn Kurt, der Gymnasiast, Musterschüler und Klassenbeste zum Geburtstag? Wenn Maria schläft, schlafen auch die Möbel um sie herum. Jetzt habe ich es: Kurtchen wünschte mir zu meinem dreißigsten Geburtstag gute Besserung! Ich jedoch wünsche mir eine Scheibe von Marias Schlaf, denn ich bin müde und habe kaum noch Worte. Klepps junge Frau hat ein albernes, aber gutgemeintes Geburtstagsgedichtchen auf meinen Buckel gemacht. Auch Prinz Eugen war verwachsen und nahm trotzdem Stadt und Festung Belgrad ein. Maria sollte endlich begreifen, daß ein Buckel Glück bringt. Auch Prinz Eugen hatte zwei Väter. Jetzt bin ich dreißig, aber mein Buckel ist jünger. Ludwig der Vierzehnte war der eine mutmaßliche Vater des Prinzen Eugen.
    Früher berührten oft schöne Frauen meinen Buckel auf offener Straße, des Glückes wegen. Der Prinz Eugen war verwachsen und starb deshalb eines natürlichen Todes. Wenn Jesus einen Buckel gehabt hätte, hätten sie ihn schwerlich aufs Kreuz genagelt. Muß ich jetzt wirklich, nur weil ich dreißig Jahre zähle, hinausgehen in alle Welt und Jünger um mich sammeln?
    Dabei war es nur ein Rolltreppeneinfall! Höher und höher trug es mich. Vor und über mir das ungenierte Liebespaar. Hinter und unter mir die alte Frau mit dem Hut. Draußen regnete es, und oben, ganz oben standen die Herren von der internationalen Polizei. Lattenroste belegten die Rolltreppenstufen. Wenn man auf einer Rolltreppe steht, soll man noch einmal alles überlegen: Wo kommst duher? Wo gehst du hin? Wer bist du? Wie heißt du? Was willst du? Gerüche flogen midi an: Die Vanille der jungen Maria. Das Öl der Ölsardinen, das meine arme Mama wärmte, heiß trank, bis sie kalt wurde und unter die Erde kam. Jan Bronski, der immer Kölnisch Wasser verschwendete, und dennoch atmete ihm der frühe Tod durch alle Knopflöcher. Nach Winterkartoffeln roch es im Lagerkek ler des Gemüsehändlers Greff. Noch einmal der Geruch der trockenen Schwämme an den Schiefertafeln der Erstklässler. Und meine Roswitha, die nach Zimmet und Muskat duftete. Auf einer Karbolwolke schwamm ich, als

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