Die Blechtrommel
anjelegt, als der aus Gdingen Ruski sagt, und ich die beiden gleich darauf trennen muß, ganz sachte, wie das so meine Art ist. Und Häbert hat noch beide Hände voll zu tun, da sagt der Ukrainer Wasserpollack zu mir, und der Pollack, der tagsüber auffem Bagger Modder hochhievte, der hing mir'n Wort an, das sich wie Nazi anhörte. Nu, Oskarchen, du kennst ja den Häbert Truczinski: der vom Bagger, son blasser Heizertyp, lag schnell und verknautscht vor de Garderobe. Und grad wollt ich dem Ukrainer erklären, was der Unterschied zwischen nem Wasserpollack und nem Danziger Bowke ist, da pikt der mir von hinten — und das is de Narbe.«
Wenn Herbert »und das is de Narbe« sagte, blätterte er immer gleichzeitig, sein Wort bekräftigend, die Zeitung um und trank einen Schluck Malzkaffee, bevor ich auf die nächste Narbe drücken durfte, ein oder zweimal.
»Ach die! Das is man aber nur ne ganz bescheidene. Das war, als vor zwai Jahren etwa die Torpedobootflottille aus Pillau hier festmachte, dicke tat, >Blaue Jungs< spielte und de Marjellchen meschugge wurden. Wie der Schwiemel zur Marine jekommen ist, blaibt mir heute noch schleierhaft.
Aus Dresden kam der, stell dir das vor, Oskarchen, aus Dresden! Aber du hast ja kaine blasse Ahnung, was das heißt, wenn nen Mariner aus Dresden kommt.«
Um Herberts Sinne, die sich allzu beharrlich in der schönen Elbestadt Dresden ergingen, von dort fortzulocken, um sie wieder in Neufahrwasser zu beheimaten, stippte ich noch einmal die, wie er meinte, ganz bescheidene Narbe.
»Na ja, sagte doch schon. Warren Signalgast auffem Torpedoboot. Wollte mächtige Töne riskieren und nen ruhigen Schotten, dem sein Kahn im Trockendock lag, auf de Schippe nehmen. Von wegen Chamberlain, Regenschirm und so. Ich riet ihm ganz ruhig, wie das so meine Art ist, son Jerede sein zu lassen, zumal der Schotte kain Wort verstand und immer nur mit Schnaps auf de Tischplatte malte.
Und wie ich sag, laß das Jungchen, du bist hier nich bei Euch, sondern beim Völkerbund, da sagt der Torpedofritze >Beutedeutscher< zu mir, das auf sächsisch, verstehste — und hatte gleich ein paar kleben, was ihn auch ruhig machte. Ne halbe Stunde später erst, ich bückt mir grade nach nem Gulden, der unterm Tisch jekullert war, und könnt nicht sehn, weil duster war unterm Tisch, da holt der Sachse sein Pikpik und macht ganz schnell pik!«
Lachend blätterte Herbert in den »Neuesten Nachrichten«, sagte noch: »Und das is de Narbe«, schob dann die Zeitung der brummelnden Mutter Truczinski hin und machte Anstalten, aufzustehen. Schnell, bevor Herbert aufs Klo gehen konnte — ich sah seinem Gesicht an, wo er hinwollte — schon drückte er sich an der Tischkante hoch, da tippte ich auf eine schwarzviolette, genähte Narbe, die so breit war, wie eine Skatkarte lang ist.
»Häbert muß auffem Klo, Jungchen. Nachher sag ich dir.« Aber ich tippte nochmals, strampelte, machte auf dreijährig; das half immer.
»Na scheen. Damit Ruh is. Aber ganz kurz nur.« Herbert setzte sich wieder. »Das war Weihnachten anno dreißig. Im Hafen war nischt los. Die Stauer lungerten an de Straßenecken und spuckten auf Länge. Nach de Mitternachtsmesse — wir hatten den Punsch grade färtig — kamen scheen sauber jekämmt und in Blau und Lack die Schweden und die Finnen aus de Seemannskirche jegenieber. Ich ahn schon nichts Gutes, steh inne Tür von uns und seh mir die auffallend frommen Jesichter an, denk, was spielen die so midde Ankerknöppe, da geht es auch schon los: lang sind de Messer und kurz is de Nacht! Na, Finnen und Schweden hatten schon immer was voreinander iebrig. Was aber Häbert Truczinski mit die zu tun hatte, weiß der Deibel. Dem beißt der Äff', denn wenn was los is, darf Häbert nich fehlen. Nix wie raus aus die Tür, und der Starbusch ruft noch: >Sieh dir vor, Häbert !< Aber der hat ne Mission, der will dem Pfarrer, son klain Jungsken, grad frisch von Malmö jekommen, äußern Seminar, und hat noch kein Weihnachten nich mitjemacht mit Finnen und Schweden inne selbe Kirche, dem will er also retten, unter die Arme greifen, damit er auch fein jesund nach Hause kommt, da hab ich, kaum daß ich dem Gottesmann am Tuch zu fassen kriege, das saubere Ding hinten schon drinnen und denk noch >Prost Neujahr<, dabei hatten wir Heiligabend. Und wie ich wieder zu mir komm, da lieg ich schon bei uns auf de Theke und mein scheenes Blut läuft in de Biergläser gratis, und der Starbusch kommt mit seinem Pflasterkasten vons
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