Die Blechtrommel
Ankerknöpfen, bespritzte den weißen Seidenshawl, den er aus dem Freihafen hatte, mit Eau de Cologne, welches gleichfalls auf dem zollfreien Mist des Freihafens gewachsen war, und stand bald Vierkant und steif unter der blauen Schirmmütze.
»Geh' mal'n bißchen auf Schauerchen gucken«, sagte Herbert, gab der Prinzheinrichgedächtnismütze einen Schlag nach links, ins leicht Verwegene, und Mutter Truczinski ließ die Zeitung sinken.
Am nächsten Tag hatte Herbert die Stellung und Uniform. Dunkelgrau trug er sich und nicht zollgrün; er war Museumswärter im Schifffahrtsmuseum.
Wie alles Aufbewahrenswerte dieser insgesamt aufbewahrenswerten Stadt füllten die Schätze des Schiffahrtsmuseums ein altes, gleichfalls museales Patrizierhaus, das sich außen den steinernen Beischlag und eine verspielte, dennoch satte Fassadenornamentik bewahrte, das innen in dunkler Eiche geschnitzt und gewendeltreppt war. Man zeigte die sorgfältig katalogisierte Geschichte der Hafenstadt, deren Ruhm es immer gewesen war, zwischen mehreren mächtigen, aber meistens armen Nachbarn stinkreich zu werden und zu bleiben. Diese den Ordensherren, Polenkönigen abgekauften und umständlich verbrieften Privilegien! Diese farbigen Stiche verschiedenster Belagerungen der Seefestung Weichselmündung! Da weilt der unglückliche Stanislaus Leszczy ski, vor dem sächsischen Gegenkönig fliehend, in den Mauern der Stadt. Man sieht auf dem Ölbild genau, wie er sich ängstigt. Auch Primas Potocki und der französische Gesandte de Monti fürchten sich sehr, weil die Russen unter General Lascy die Stadt belagern. Das ist alles genau beschriftet, und auch die Namen der französischen Schiffe unter dem Lilienbanner auf der Reede sind leserlich. Ein Pfeil deutet an: auf diesem Schiff floh der König Stanislaus Leszczy ski nach Lothringen, als die Stadt an den dritten August übergeben werden mußte. Den Großteil der ausgestellten Sehenswürdigkeiten bildeten jedoch Beutestücke aus gewonnenen Kriegen, weil ja verlorene Kriege selten oder nie Beutestücke den Museen überliefern.
So war der Stolz der Sammlung die Galionsfigur einer großen florentinischen Galleide, die zwar in Brügge ihren Heimathafen hatte, jedoch den aus Florenz stammenden Kaufleuten Portinari und Tani gehörte. Den Danziger Seeräubern und Stadtkapitänen Paul Beneke und Martin Bardewiek gelang es im April vierzehnhundertdreiundsiebzig an der seeländischen Küste, vor dem Hafen Sluys kreuzend, die Galleide aufzubringen. Gleich nach der Kaperei ließen sie die zahlreiche Mannschaft nebst Offizieren und Kapitän über die Klinge springen. Schiff und Inhalt des Schiffes wurden nach Danzig gebracht. Ein zusammenklappbares Jüngstes Gericht des Malers Memling und ein goldenes Taufbecken — beides im Auftrag des Florentiners Tani für eine Kirche in Florenz angefertigt — fanden Aufstellung in der Marienkirche; das Jüngste Gericht erfreut, soviel ich weiß, heutzutage das katholische Auge Polens. Was aus der Galionsfigur nach dem Kriege wurde, blieb ungeklärt. Zu meiner Zeit bewahrte das Schifffahrtsmuseum sie auf.
Ein üppig hölzernes, grün nacktes Weib, das unter erhobenen Armen, die sich lässig und alle Finger zeigend verschränkten, überzielstrebigen Brüsten hinweg aus eingelassenen Bernsteinaugen geradeaussah. Dieses Weib, die Galionsfigur brachte Unglück. Der Kaufmann Portinari gab die Skulptur in Auftrag, ließ sie nach den Maßen eines flämischen Mädchens, das ihm nahe lag, von einem Holzbildhauer anfertigen, der im Schnitzen von Galionsfiguren einen Namen hatte. Kaum hing die grüne Figur unter dem Bugspriet der Galleide, wurde dem Mädchen, wie damals üblich, wegen Hexerei der Prozeß gemacht. Bevor sie lichterloh brannte, beschuldigte sie, peinlich befragt/ noch ihren Gönner, den Kaufmann aus Florenz und gleichfalls den Bildhauer, der ihr so gut Maß genommen hatte. Portinari, so hieß es, erhängte sich, weil er das Feuer fürchtete. Dem Bildhauer hackten sie beide begabten Hände ab, damit er in Zukunft nicht weiterhin Hexen zu Galionsfiguren machte. Noch während die Prozesse in Brügge liefen und Aufsehen erregten, denn Portinari war ein reicher Mann, geriet das Schiff mit der Galionsfigur in Paul Benekes Seeräuberhände. Signore Tani, der zweite Kaufmann, fiel unter einem Enterbeil, Paul Beneke war der nächste: wenige Jahre später fand er bei den Patriziern seiner Vaterstadt keine Gnade mehr und wurde im Hof des Stockturmes ersäuft. Schiffe, denen man
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