Die Blendende Klinge
bahnte sich einen Weg zwischen den sich im Wasser wiegenden bewusstlosen Wichten hindurch, bis er das Ufer erreicht hatte. Sein Herz schlug heftig. Er warf seinen Anker an Land und sprang hinterher. Der Boden bestand aus festem blauem Luxin.
Es bildete eine fremdartige Landschaft, und es gab Kristalle, die so lang waren wie Gavin groß. Die Bewegungen der Wellen hatten viele von ihnen zerbrochen, aber insgesamt wiesen die Kristalle alle in dieselbe Richtung – zum Zentrum, immer zum Zentrum.
Gavin begann zu rennen. Sein Ziel war ein hoher Turm mitten auf der Insel, vielleicht eine halbe Meile entfernt. Anfangs kam er nur langsam vorwärts, da der Untergrund so brüchig war, dass er von dem einen knorrigen Kristall zur nächsten seltsam funkelnden Platte springen musste. Immer wieder brach der Boden unter ihm auf, und ein Strahl blauer Kristalle schoss in die Luft. Über ihm wirbelten seltsame Windhosen, deren Rüssel eigenartige Kurven beschrieben. Verzerrte Dreiecke kreisten wie gläserne Vögel auf unsichtbaren Winden.
Kristall knirschte unter seinen Füßen wie Schnee, doch wurde es hinter ihm zu Glas. Allein die Wärme und der Druck seiner Schritte reichten aus, um es weiter zu vervollkommnen.
Je weiter er zum Zentrum vordrang, desto stärker setzte sich die Ordnung von Blau durch.
Gavin sah, wie eine kristallene Platte, die in einem schiefen Winkel im Boden steckte, erzitterte, kippte und sich nahtlos dem Boden anpasste. Die gesamte Insel war hier flach und makellos. Vor ihm erhoben sich zwölf kristallene Säulen, die in einem Kreis um die Basis des großen Turms herum angeordnet waren.
Die zwölf Säulen waren je drei Schritt hoch. Als Gavin sich der ersten näherte, sah er darin den am perfektesten geformten Blauwicht, dem er je begegnet war. Er hatte sich völlig seiner menschlichen Haut entledigt. An ihre Stelle war ein Teppich aus Juwelen getreten, dessen Gewebe sich ständig änderte, je nachdem, wie viel Spiel die Muskeln darunter an jeder Stelle von der Haut verlangten. Er war auf schreckliche Weise schön, als hätte jemand ein Meisterwerk mit Blut gemalt.
Gavin zögerte nicht. Er rannte auf den zentralen Turm inmitten des eigentümlichen Platzes zu. An der Außenseite führte eine Treppe empor. Ohne Geländer. Gavin rannte hinauf.
Siebenundneunzig Stufen bis nach oben. Als Erstes bemerkte Gavin, als er um die letzte Windung herumkam, dass er von hier aus den Weißen Nebel sehen konnte. Der Nebel und das Riff, das er verbarg, waren von Legenden umwoben. Die Berichte von seiner exakten Position variierten, aber alle stimmten darin überein, dass er sich irgendwo im Zentrum der Azurblauen See befand. Vielleicht an ihrem genauen Mittelpunkt, wie die Spinne in der Mitte ihres Netzes.
Was zum Teufel machte diese schwimmende Insel so nah am Weißnebelriff?
Es könnte ein Zufall sein. Davon hatte es ja in letzter Zeit sehr viele gegeben.
Dann fiel sein Blick auf die Säule, die sich den Platz auf der Turmspitze mit ihm teilte. Sie war gefüllt mit sprudelndem Wasser und wirbelnden Gasen – Gavins Augen erschien sie grau, also musste er annehmen, dass sie blau war. Es steckte etwas in der Säule, aber er konnte nicht erkennen, was es war. Er beugte sich näher heran. Die Sonne, nun fast auf ihrem Zenit angelangt, strahlte durch die strudelnden Gase hindurch. Auf Höhe seiner Augen sah Gavin eine Krümmung.
Oh nein.
Die Sonne erreichte den höchsten Punkt des Himmels, und die Säule erstrahlte zur Gänze in ihrem reinen Licht. Die Krümmung auf Gavins Augenhöhe war eine Schulter.
Es war Mittag.
Ein Zittern durchlief die gesamte blaue Insel. Im Boden bildeten sich Risse, aus denen Kristallsplitter in hoher Geschwindigkeit in die Luft schossen. Nur die Säule selbst bebte nicht. In jeder der zwölf Säulen ringsum nahm Gavin Bewegungen wahr. Aber er richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die zentrale Säule, die er direkt vor sich hatte.
Eine riesenhafte Gestalt formte sich in ihrem Innern. Gavin war Zeuge der Geburt eines Gottes.
Er wandelte ein gelbes Luxin-Schwert, versiegelte es quälend langsam, als die Augen des halbfertigen Gottes aufklappten, erst auf einen weit entfernten Punkt schauten und dann plötzlich Gavin bemerkten. Das Licht in der Säule wurde immer intensiver, und dann war das Schwert endlich versiegelt. Gavin rammte es durch die Säule, so dass es dem Gott unter dem Kinn in den Hals und auf der Rückseite seines Kopfes wieder hinausdrang.
Seine Augen flackerten, und
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