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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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sein würde.
    Sie konnte also nicht von diesem Tag gesprochen haben, denn heute gab es für ihn keine Möglichkeit mehr, vor Mittag das von ihr vage beschriebene Ziel zu erreichen. Also musste sie irgendeinen anderen …
    »Ihr nehmt immer gern den direktesten Weg, nicht?«, hatte sie gesagt.
    Die raffinierte Hexe. Spielte mit ihm.
    Er musste nicht direkten Ostkurs und dann direkten Nordkurs nehmen, er konnte auch nach Nordost steuern … Er stellte einige Berechnungen an, wobei seine Finger kleine imaginäre Kugeln bewegten. Wenn er direkt die Hypotenuse nahm, brauchte er … vier Stunden.
    Natürlich.
    Also steuerte er sein kleines Boot gen Nordost und begann ein Wettrennen mit der Sonne.
    Stunden später war es fast Mittag, und er glaubte, die falsche Richtung genommen zu haben. Es war eben doch ein großes Meer. Aber er hatte keine andere Wahl, als den eingeschlagenen Kurs fortzusetzen.
    Und dann veränderte sich die See, wurde allmählich immer ruhiger. Irgendetwas daran erschien ihm seltsam. Gavin hielt seinen Gleiter an. Er blickte nach links und nach rechts. Etwas wie ein Schatten lag auf den Wellen. Es war, als hätte sich ein dünner Wolkenschleier vor die Sonne geschoben und als könne er die Ränder des von ihm geworfenen Schattens in den unterschiedlichen Farbschattierungen der Wellen wahrnehmen. Aber es waren keine Wolken am Himmel. Es war, als würde eine Art Ölteppich das Wasser glätten.
    Gavin kniete sich an die Bordkante des Gleiters, tauchte seine Hand ins Wasser und schöpfte eine Handvoll. Es war wie Eiswasser, nur dass es nicht kalt war. Gavin nahm es genauer in Augenschein. Das Wasser enthielt Tausende, Zehntausende winziger Kristalle, wie Nadeln, wie Bruchstücke von Schneeflocken, die alle in die gleiche Richtung wiesen. Er konnte kein Blau sehen, konnte es nicht wandeln. Hätte er das gekonnt, es hätte hier vielleicht auch kein Geheimnis gegeben. Er roch das Wasser: Salz und der schwache, flüchtige Geruch nach Harz, das kalkig-mineralische Aroma von blauem Luxin.
    Die Wellen waren voller blauem Luxin, das versuchte, sich zu kleinen Kristallen zu formen, die sich irgendwie spontan zusammenfanden, statt zu zerbrechen und im Sonnenlicht auseinanderzufallen, wie es eigentlich sein sollte.
    Als er seine mit dem Wasser gefüllten Hände in eine andere Richtung bewegte, bemerkte er, dass sich auch die kleinen Kristalle bewegten, wie Kompassnadeln. Das eine Ende deutete zum äußeren Rand des ölartigen Teppichs. Das andere wies also zum Zentrum hin – dorthin musste er.
    Er war in jeder Hinsicht dazu bereit. Er verstärkte und verschmälerte die Röhren, die den Gleiter vorwärtstrieben, überlegte dann noch einmal und verband sie alle zu einer einzigen Röhre. Er wollte eine Hand frei haben. Dann glitt er auf das Zentrum zu.
    Das Wasser wurde dicker, aber seine Röhre drang durch die eiskristallartige Flüssigkeit hindurch und trieb ihn immer noch in schneller Geschwindigkeit vorwärts. Dann wurde das Wasser so dick, dass er sehen konnte, wie die Schaufelröhre das Wasser durchwühlte, so wie ein Löffel Suppe umrührt.
    Dann begannen die blauen Luxin-Kristalle zusammenzuklumpen und größere Platten zu bilden. Als er beim Weiterfahren das Luxin-Eis durchbrach, entstand ein Geräusch, als würde Reisstrohpapier zerkrumpeln.
    Vor sich konnte er eine graue Insel sehen, die auf dem Meer trieb, wo keine Insel sein sollte. Sie wiegte sich sehr langsam im weiten, überkrusteten Wasser, wobei sie bei jedem Wiegen große Platten von Luxin-Eis zerbrach. Ein Teil davon schmolz sofort in der Sonne, aber manche hatten sich derart mit blauem Luxin vollgesogen, dass sie zusammenhielten.
    Dann sah er etwas, was ihn ganz mit dem Wandeln aufhören und erstarren ließ. Er befand sich nun in seichtem Wasser, und feste Schollen aus Luxin-Eis trieben etwa einen Schritt unter der Oberfläche. Vor diesem weißen Hintergrund konnte er sehen, dass im seichten Wasser Leichen trieben. Dutzende – nein, Hunderte von Leichen, die sich an der Oberfläche wiegten, nackt und mit Kristallen überkrustet.
    Verdammt. Keine Leichen. Blauwichte. Sie waren nicht tot, sondern absorbierten die Sonne und das Luxin. Das Wasser war so sehr mit Luxin gesättigt, dass es ihnen die Verwandlung zum Blauwicht erleichterte.
    »Seid vor Mittag da«, hatte das Dritte Auge ihm eingeschärft. Gavin überkam plötzlich eine ungute Vorahnung, was wohl am Mittag mit den schlafenden Wichten passieren würde.
    Gavin wandelte ein Paddel und

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