Die Blendende Klinge
mit Geschichten ihrer eigenen Heldentaten und ließen ihre abenteuerlichen Kämpfe Revue passieren, alles vielleicht ein wenig übertrieben. Schließlich entschuldigten sich Hauptmann und Ausbilder, zweifellos weil sie noch Arbeit zu erledigen hatten.
Anfangs gab es ein wenig Genörgel an die Adresse von Kip und Teia, weil sie es sich angeblich allzu leicht gemacht hatten, aber als Kruxer zu ihnen herüberkam und sie dafür lobte, dass ihre Idee sogar noch schlauer gewesen sei als die seine, fanden die Beschwerden ein Ende, die Kluft war überbrückt und die Einheit des Kurses wiederhergestellt. Kip und vielleicht sogar Teia erfreuten sich nun einer höheren Wertschätzung als zuvor.
Teia sprach den ganzen Abend über kaum ein Wort, aber sie genoss alles. Sie hatte sich zuvor nie als Teil einer Gemeinschaft empfunden, und sie würde jeden Preis dafür zahlen, es zu bleiben. Als sie sich dabei ertappte, wie sie über ihre Halskette strich, begriff sie, dass sie sie zum ersten Mal mit Hoffnung in ihrem Herzen berührte. Hoffnung, dass sie das verdammte Ding tatsächlich irgendwann würde ins Feuer werfen können, und dann zum Teufel mit Aglaia Crassos.
Später ließ sie sich dann dazu beschwatzen, ein großes Glas Bier zu trinken. Für den Rest des Abends hatte sie das Gefühl zu schweben, trunken vor Kameradschaft, trunken vor Zugehörigkeit, vielleicht auch einfach nur trunken.
Die Frischlinge liefen als johlende Meute nach Hause, unbehelligt, nicht einmal zur Ruhe wurden sie gebeten. Aber als sie den Lilienstiel überquerten – Kip und Teia gingen zusammen mit Kruxer und seiner Partnerin Lucia am Ende der Truppe –, erinnerte sich Teia an etwas.
»He, du weißt doch, dass Schwarzgardisten keine Beziehungen miteinander haben dürfen, oder?« Teia wandte sich an Kip, aber Kruxer und Lucia warfen ihr erschrockene, schuldbewusste Blicke zu.
Kip wirkte beunruhigt. »Ähm, ja? Klar. Natürlich nicht.«
»Dann solltest du wissen, dass das gar nichts damit zu tun hat«, fuhr Teia fort, die noch immer die Hitze in sich spürte. »Das ist nur wegen unserer lächerlichen Wette.«
Kip schrumpfte förmlich zusammen. »Oh, du musst jetzt wirklich nicht …«
Teia legte ihre Hände auf Kips Wangen und küsste ihn dann mitten auf den Mund. Als sie ihn wieder losließ, wirkte er so entsetzt, dass sie in lautes Lachen ausbrach.
»Oohh, ich will auch so eine lächerliche Wette abschließen«, sagte Lucia.
»Nein!«, rief Kip, aus seiner Starre wachgerüttelt, und hob abwehrend die Hände.
»Nicht mit dir , Kip!«, erwiderte Lucia lachend.
Kip vergrub sein Gesicht in den Händen. »Lass mich jetzt bitte sterben.«
Kruxer legte den Arm um Kips Schultern, während die übrigen Jugendlichen ihr Tempo verlangsamten und sich umdrehten, um zu sehen, was denn so lustig war. »Das machen sie mit uns allen, Kip. Das machen sie mit uns allen.«
55
Bei Morgendämmerung war Gavin wieder draußen und glitt übers Meer. Heute war er allein. Karris hatte gestern einige Seher in Selbstverteidigung unterrichtet, und am Abend war ein Sturm aufgezogen, der sie in deren kleiner Stadt am Rand des Vulkankraters festgehalten hatte. Als die Sonne aufging, gähnte Gavin und wandte seine Augen genau im falschen Moment von den Wellen ab. Der Gleiter drehte sich ein wenig zur Seite, und Gavins Hände glitten von den Rohren.
Der plötzliche Geschwindigkeitsverlust ließ ihn direkt in die nächste Welle hineinfahren. Der Gleiter verschwand seitwärts in einem Wellental, und Gavin flog durch die Luft. Er schlug auf der Welle auf, hüpfte über deren Kamm und wurde dann von der nächsten überrollt.
Gavin schwamm zum Gleiter zurück, der ohne ihn auf den Wellen tanzte, und zog sich, nun hellwach, auf Deck. Was hatte er dem Dritten Auge gesagt? Dass er nicht oft Fehler mache? Er lachte leise in sich hinein. Dann erstarrte er. Sie hatte ihn gefragt, ob er ein Schwimmer sei, und er hatte geantwortet, nur wenn er beim Fahren mit dem Gleiter Fehler mache, und sie hatte gesagt: Das sehe ich.
Merke: Wenn ein Seher sagt, dass er etwas sieht, pass auf.
Er hatte an diesem Morgen einen westlichen Kurs eingeschlagen, um seine Suche heute vom Roten Kliff aus zu beginnen. Er war bereits eine Stunde lang übers Meer geglitten.
Das Dritte Auge hatte Gavin gesagt: »Drei Stunden nach Osten, zweieinhalb Stunden nach Norden. Seid vor Mittag da.« Fünfeinhalb Stunden von jetzt an gerechnet würde bedeuten, dass er erst anderthalb Stunden nach Mittag zur Stelle
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