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Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Viererreihen nebeneinander herschwammen, hatten Abornea fünfmal umrundet, bevor sie verschwanden. Eine Eisschicht hatte den gesamten Kratersee in Kelfing bedeckt, obwohl es viel zu warm dafür war. Herden wilder Ziegen, deren Zahl in die Tausende ging, formierten sich alle in präzisen Reihen. Dichtern hatte es die Sprache verschlagen. Musiker schrieben hundert Seiten Notenschrift am Tag, vergaßen dabei aber, zu essen oder zu trinken, bis sie in Ohnmacht fielen. Galeerensklaven ruderten, bis sie tot umfielen, aus Angst, aus dem Takt zu geraten. Kapitäne kartierten Sternbilder, statt ihre Schiffe zu steuern, und liefen auf Felsen auf. Mütter widmeten sich niederen Arbeiten und ließen ihre wimmernden Säuglinge im Stich, bis sie diese Tätigkeiten abgeschlossen hatten.
    Dieser Amoklauf der Ordnung entbehrte nicht einer gewissen Ironie, aber es war keine Ironie, die die Toten zu schätzen wissen würden. Und das war noch nicht das Schlimmste.
    Der Alarm der blauen Zelle war nicht ausgelöst worden. Marissia hatte nicht gewusst, dass der Gefangene ausgebrochen war. Wann hatte Gavin diesen Mechanismus zum letzten Mal überprüft? Vor einem Jahr? Vor anderthalb Jahren?
    Im dritten Jahr der Gefangenschaft seines Bruders hatte Gavin, in der Hoffnung, es würde seine schrecklichen Alpträume lindern, ein absolut zuverlässiges Sicherheitssystem installiert. Zumindest hatte er geglaubt, dass es absolut zuverlässig war. Wenn seinem Bruder der Ausbruch aus einem seiner Gefängnisse gelingen würde, sollte er eben dadurch ein leuchtendes Warnlicht am oberen Ende der Rutsche auslösen.
    Entweder trieb Marissia ein doppeltes Spiel – nein, der Schock auf ihrem Gesicht war echt gewesen –, oder Gavins Mechanismen hatten versagt.
    Wenn die Rutschen nicht umgesprungen waren, müsste Dazen inzwischen verhungert sein. Gavin hatte es so eingerichtet, dass die Rutsche auch umgestellt würde, wenn Dazen versuchte, Luxin die Rutsche hinaufzuwerfen – aber wenn der eine Mechanismus versagt hatte, konnten auch andere versagt haben. Verdammt. Er hatte sie nicht für die Ewigkeit gebaut. Luxin zerfiel, selbst in der Finsternis, und er hatte fast jeden Bestandteil der Gefängnisse aus Luxin gefertigt.
    Wenn er gestorben wäre, hätte er es doch gemerkt, oder? Er wusste, dass etwas nicht stimmte, als Sevastian starb. Bestimmt …
    Mit einem Zittern hielt der Aufzug nach nur wenigen Stockwerken an. Nicht viele Menschen verfügten über die Schlüssel, mit denen der Aufzug des Prismas angehalten werden konnte.
    Es war Grinwoody mit seinem dünnen, unangenehmen Grinsen, froh, ihn stören zu können. Schweigend streckte er eine Hand aus. Gavin nahm dem Sklaven die Nachricht aus der Hand. Er wusste schon, was darin stehen würde.
    »Sohn, komm in meine Gemächer. Dies ist keine Bitte.«
    Ziemlich genau das, was er erwartet hatte.
    Erst waren es Kip und Samite in seinem Zimmer gewesen, die ihn davon abhielten, das Alarmsystem der Rutsche sofort zu untersuchen. Dann war es die Dringlichkeitssitzung. Und nun das hier.
    Aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Wenn seinem Bruder die Flucht gelungen war, war er jetzt schon weit weg. Wenn er nichts mehr zu essen gehabt hatte, war er inzwischen verhungert. Orholam stehe ihm bei – dies ließ die Worte des Wichts, Dazen Guile würde kommen, um sie zu retten, in einem ganz anderen Licht erscheinen.
    Sie hatten es gewusst. Sie hatten die ganze Zeit daran gearbeitet, ihn zu befreien.
    Ruhig. Geduld. Wenn es passiert ist, ist es passiert. Wenn nicht, dann sieh dich vor, nicht den gerissensten Hund auf der ganzen Welt durch merkwürdiges Verhalten zu warnen. Er folgte Grinwoody. Er würde nichts gewinnen, wenn er die Sache hinausschob. Er würde später auch nicht besser auf die Konfrontation mit dem Tyrannen vorbereitet sein als jetzt, und die Zeit würde Andross Guiles Zorn auch nicht abkühlen. Vielleicht war es sogar am besten, jetzt zu ihm zu gehen. Jetzt war die Wut seines Vaters noch ganz frisch, und er hatte noch keine Zeit gehabt, seine Rache sorgfältig zu planen.
    Gavin betrat das dunkle Zimmer. Die Luft war drückend und heiß. Er konnte diesen Raum nicht ausstehen. Selbst wenn der Raum von der ultravioletten Laterne bestrahlt wurde, herrschte hier eine Dunkelheit, die sich an die Knochen heftete und den Willen schwächte.
    »Gavin«, sagte Andross Guile. Seine Stimme war ruhig und rau.
    »Vater.« Er brachte so viel Respekt auf, wie er konnte.
    »Du bist mir vorhin in den Rücken

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