Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blendende Klinge

Die Blendende Klinge

Titel: Die Blendende Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
verriegelt und dann alles in Brand gesetzt haben? Hatte dazu womöglich gar ein Dutzend Männer dabeigehabt – Männer, die nie gefunden und auch nie wieder erwähnt worden waren, nachdem Gavin seinem Bruder seine Armeen hinterhergeschickt hatte?
    Nein, das hier ergab wesentlich mehr Sinn. Warum sonst hatte ihr Vater darauf bestanden, Karris in jener Nacht aus der Stadt zu haben? Weil er von dem geplanten Hinterhalt seiner Söhne wusste. Vielleicht hatte er ja selbst geholfen, diesen finsteren Plan zu schmieden.
    Und als die Sache dann schiefging, war ihr Vater froh gewesen, dass durch den Tod aller auf dem Anwesen befindlichen Menschen die mörderische Schuld seiner Söhne verborgen blieb, und Andross Guile war bei dieser Vertuschung sein Komplize gewesen, denn dadurch standen alle anderen Adelsfamilien nun umso fester hinter Andross’ bevorzugtem Sohn, Gavin. Es war tatsächlich eine Verschwörung gewesen, nur eine andere als die, von der Karris immer ausgegangen war.
    Die Kriegstrommeln waren gerührt worden, und Karris, jung und schwach wie sie war, hatte einfach geglaubt, dass diejenigen, die älter waren als sie, auch mehr wussten als sie. Dass sie die Gründe kannten, die den Krieg unvermeidlich und Dazens Schuld unstreitig machten.
    Seit damals hatte Karris stets damit gekämpft, die beiden Gavins, die sie kennengelernt hatte, unter einen Hut zu bringen: den einen, der sich mit ihr verlobt, sie dann aber grausam behandelt und wie Müll weggeworfen hatte, und den späteren, der ihr Verlöbnis gelöst und ihr Herz gebrochen hatte, sie dann aber freundlich behandelte. Diese unerklärlichen Widersprüche hatten sie völlig verwirrt; sie war ratlos gewesen. Wenn sie gewusst hätte, dass Gavin einfach ein brutaler Schuft war, hätte sie ihre Vernarrtheit als die Torheit eines Mädchens abtun können, das dem Charme, dem guten Aussehen und der Macht eines Mannes auf den Leim gegangen war. Aber so hatte die scheinbare Widersprüchlichkeit seines Charakters dafür gesorgt, dass sie mit ihm bis heute noch nicht fertig war.
    Und statt dass die bitteren Enthüllungen Fluten der Tränen über all die verlorenen Jahre und die vermeintlichen, jetzt als Lügen erkannten Wahrheiten losbrechen ließen, fühlte sich Karris nun plötzlich erleichtert. Im Frieden mit sich.
    Sie nahm die Blätter des Briefes und hielt sie über eine Kerze. Sie brannten sofort lichterloh.
    Karris musste unwillkürlich lächeln. Blitzpapier. Lady Guile mochte ihr vertraut haben, was aber nicht bedeutete, dass sie gewollt hatte, dass der Brief schwer zu vernichten war.
    Dazen liebte sie. Dazen hatte sie immer geliebt. Und er trug schreckliche Geheimnisse im Herzen. Die er mit niemandem teilte. Aus Respekt und Liebe hatte er sie stets in seiner Nähe behalten. Das hatte ihm tausend schwierige Aufgaben noch schwieriger gemacht. Wenn er es gewollt hätte, hätte er sie ohne Mühe aus der Schwarzen Garde werfen lassen können. Er hätte sie einsperren lassen können. Er war nie den einfachen Weg gegangen, nicht was sie betraf.
    Sie stand auf und ging zur Tür. Sie fühlte sich leichter, als sie sich während der vergangenen sechzehn Jahre gefühlt hatte. Samite stand draußen und wartete auf sie. Sie hielt die Hände hinter dem Rücken, als verberge sie etwas.
    Samite ergriff das Wort: »Lady Guile meinte, dass du, sobald du den Brief gelesen hast, dringend etwas bräuchtest, was deine Schlagkraft erhöht – auf dem einen oder dem anderen Gebiet.« Sie zog die Hände hinter dem Rücken hervor. In der einen Hand hielt sie eine große alte Pistole. In der anderen befanden sich ein quälend schönes Spitzenunterkleid und ein dazu passendes Schnürmieder mit kurzen Korsettstangen, das etwa das Jahresgehalt einer Schwarzgardistin wert war. »Also, was soll es nun sein?«
    Karris starrte mit offenem Mund auf Samites Hände. Lady Guile! Skandalös! Und Sami zeigte diese Sachen hier mitten im Quartier der Schwarzgardisten herum. Bei Orholam! »Wer hat heute Abend Wachdienst beim Prisma?«
    »Ich glaube, ein paar von den neuen Jungs.«
    »Wunderbar«, sagte Karris. Sie grinste.
    »Karris, was willst du …«, begann Samite.
    »Willst du hier einfach bloß herumstehen oder mir nicht lieber bei meinen Haaren helfen?«

78
    Marissias kurzer, geflüsterter Bericht war beängstigend gewesen. Die altvertraute Panik verkrampfte Gavin die Brust. Zuerst hatte es Neuigkeiten aus allen Winkeln der Satrapien gegeben: Zwölf Meeresdämonen, die in drei akkuraten

Weitere Kostenlose Bücher