Die blonde Geisha
sein, wenn sie an so etwas dachte, während ihre Freundin irgendwo in der Nacht herumirrte. In der Dunkelheit, in der an jeder Straßenecke Dirnen auftauchten.
Kurtisanen.
Sie versteckte die untere Gesichtshälfte hinter dem Fächer, während sie eine Frau in einem hauchdünnen Kimono mit tiefroter und goldener Schärpe und einer viel zu großen Schleife betrachtete. Sie trottete mit ihren hohen Holzsandalen über die feuchten Steine, schwang mit den Hüften, ihr weißes Gesicht, die roten Lippen und schwarzen Augenbrauen zeigten keine Spur von Gefühl. Besonders fielen Mariko ihre pink lackierten Fußnägel auf. Wie viele Männer hatten in dieser Nacht schon den Futon mit ihr geteilt, sie gestreichelt, sie geleckt, bevor sie in sie drangen und die Frau ihre schönen pinkfarben lackierten Zehen einrollte?
Mariko seufzte tief und befahl Hisa, schneller zu laufen. Keine Zeit zum Bummeln, der Morgen würde bald dämmern, sie wollte nicht eine Sekunde länger ohne ihre Freundin sein. Die grausamen Worte, die sie Kathlene entgegengeschleudert hatte, taten ihr jetzt leid. Warum hatte sie so etwas gesagt? Sie kannte die Antwort. Es hatte sie wütend gemacht, dass ihre Freundin so verrückt nach dem Rikscha-Jungen war.
Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, lag es nicht nur an ihrem Pflichtgefühl, sondern an der Tatsache, dass sie selbst Hisa so gut aussehend und begehrenswert fand. In Wahrheit wünschte sie, dass er sie entkleidete und sich neben sie auf ihren Futon legte. Sie stellte sich seinen Jadestab als einen Pinsel vor, mit dem sie wunderbar erregende Bilder auf ihren nackten Körper malen konnte. Ein guter Pinsel hatte eine harte Spitze, aber noch wichtiger waren der Druck und der Rhythmus, mit dem ein solcher Pinsel geführt wurde.
Wieder sah sie den Rikscha-Jungen an. Wie würde er sich anfühlen? Hart und pulsierend? Sie presste die Schenkel zusammen als sie spürte, wie feucht sie unter ihrem Kimono wurde. Sie konnte dem Drang, sich zu berühren, nicht widerstehen. Aber wenn Hisa sich umdrehte und sah, was sie tat? Was dann?
Hatte sie kein Recht auf ihre Gefühle?
Meine Wangen brennen, dachte sie, und wenn ich mit meiner kostbaren kleinen Spalte spiele, steigt eine wunderbare Wärme in mir auf. Wellen der Lust überrollen mich, ich erzittere am ganzen Leib, kann kein Wort sprechen.
Sie musste unbedingt bald eine Geisha werden. Sie musste einfach, sie würde Okâsan anflehen, ihr einen Liebhaber zu suchen, bevor ihre aufgestauten Emotionen die Kontrolle übernahmen und sie sich nicht mehr dagegen wehren konnte, sich dem Rikscha-Jungen hinzugeben. Sie dachte an das Gespräch, dass sie kurz zuvor mit Okâsan geführt hatte.
“Du bist ein pflichtbewusstes Kind, Mariko-san”, hatte Okâsan gesagt. “Ein Kind, das begreift, dass Pflichtgefühl über allem steht.”
“Ja, Okâsan”, antwortete Mariko sich verneigend.
“Du bringst Ehre über mein Teehaus, deswegen habe ich versucht, dich vor den Unannehmlichkeiten der Außenwelt zu schützen.”
“Ich danke Ihnen für diesen Schutz, Okâsan.”
Die beiden Frauen saßen in einem Zimmer im oberen Stockwerk auf blauen Seidenkissen, weit entfernt von dem schlafenden Paar, Baron Tonda und Youki. Sie hatte noch gesehen, wie Ai ein grünes Moskitonetz über die Schlafenden gebreitet hatte. Das war außergewöhnlich, denn normalerweise erlaubte Okâsan keinem Kunden, die Nacht in dem Teehaus zu verbringen. Zumindest nicht, seit zwei Samurais sich wegen einer Geisha gestritten und zugleich ihren Samen und ihr Blut vergossen hatten. Die Schrammen ihrer Schwerter konnte man an den Holzsäulen im großen Teeraum noch immer sehen.
Das Zimmer war durch drei Wandschirme aus mattem Goldpapier aufgeteilt. Mariko blickte auf den Holzrahmen, der mit groben, drahtigen Ästen bemal war. Erschauernd hatte sie den Kimono enger zusammengezogen. Würde Okâsan sie bestrafen? Diese gemalten Äste ließen sie daran denken, was mit den Putzfrauen geschehen war, die sich heimlich in die große Holzwanne gesetzt und gegenseitig gestreichelt hatten. Die in dem heißen Wasser planschten, sich die Brüste mit Sesamöl einrieben, dann einander einen Finger in den Hintern steckten und so laut stöhnten, dass Mariko ganz neidisch wurde. Als Okâsan bemerkte, dass sie sich nicht um ihre eigentlichen Pflichten kümmerten, befahl sie den beiden, sich nackt auf die Matte zu legen, um ihre zitternden Pobacken mit einer langen Weidenrute zu bearbeiten. Mariko kicherte. Vielleicht war das
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