Die blonde Geisha
Schwert der Enttäuschung ihr Herz durchbohrte. Sie würde dieses Schwert für immer mit sich herumtragen, falls ihre Freundin nicht zum Teehaus zurückkehrte. Mariko fragte sich, ob sie selbst die Schuld daran trug.
Schließlich hatte sie den gut aussehenden Gaijin dazu verleitet, ins Badehaus zu gehen. Er hatte so glücklich ausgesehen. Mariko mochte ihn, und sie vertraute ihm von der ersten Sekunde an, als sie ihm im Kiomidzu-Tempel gesehen hatte. Auch wenn er eine barbarische Aggressivität an sich hatte, hinter seiner rauen Schale verbarg sich ein sehnsüchtiger und zärtlicher Mensch. Eine prächtige Partie für ihre Freundin. Die ganze Zukunft des Teehauses hing von Kathlene ab. Sie würde sie nicht hängen lassen.
Dann dachte Mariko über etwas Schöneres nach. Über etwas sehr viel Schöneres. Was war geschehen, nachdem Cantrell-san das Badehaus betreten hatte? Hatte er Kathlenes nackten Körper gesehen oder hatten die Männer des Barons ihn entdeckt? Nein, der Baron hätte diese Nachricht und all die Geschenke nicht geschickt, wenn Kathlene und der Gaijin zusammen erwischt worden wären.
Mariko zupfte an der untersten Saite der Laute, der tiefe Ton fuhr direkt in ihren Körper und brachte sie auf ungezogene Ideen. Ideen aus dem Kopfkissenbuch. Sie wünschte, sie wäre die Dampfwolke gewesen, die im Badehaus um die beiden Liebenden schwebte, und hätte gesehen, wie der Gaijin ihre Freundin auf die kühlen Steinfliesen legte, sein erhabener Stab dunkelviolett und funkelnd, bereit, sich in ihrer feuchten Spalte zu versenken. Sie stellte sich vor, wie die beiden einander erforschten wie zwei aufeinanderstoßende Wellen, auf denen sich im Moment der höchsten Lust weißer Schaum bildete, sich ihr femininer Duft des Ozeans mit seinem männlichen Duft des wilden Stieres vermischte.
Doch dann seufzte Mariko auf. Und wenn Kathlene mit dem gut aussehenden Gaijin davongelaufen war? Was dann?
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Youki, die über die blonde Gaijin schimpfte, sie sei nicht mehr wert als eine Prostituierte der untersten Klasse.
Mariko entgegnete nichts. Dann stürmte Youki an ihr vorbei, um Okâsan die Schriftrolle zu übergeben.
Entmutigt und besorgt stimmte Mariko ein Lied auf ihrer Laute an. Was sollte sie nur tun? Sie hatte sich bereits für die Zeremonie der Schwesternschaft vorbereitet. Der Tradition nach würden sie abwechselnd Saké trinken, um ihre Verbindung zu festigen, deswegen hatte sie einen hübschen Wandschirm aufgestellt und die kleinen, rot lackierten Tassen mit warmem Saké gefüllt. Danach hatte sie ihren formellen schwarzen Kimono angezogen, ihr Haar mit Pomade zu großen Rollen geformt, die sie mit Stäbchen auf dem Kopf feststeckte. Doch Okâsan hatte nicht wie üblich den Wahrsager befragt, ob der heutige Tag überhaupt ein glückliches Datum war. Das war kein gutes Zeichen.
Eines stand fest. Ganz egal, was heute Nacht passierte, ganz egal, was Okâsan glaubte, das Leben im Teehaus würde nie mehr dasselbe sein. Deswegen hatte sie diesen Plan in Gang gesetzt. Cantrell-san ins Badehaus zu schicken, war der Anfang gewesen. Wenn er Kathlene so sehr liebte, wie Mariko glaubte, dann würde ihre Geisha-Schwester nun etwas von ihr brauchen, was sie nur ein einziges Mal geben konnte.
Mariko wusste, wie gefährlich ihr Plan war, und doch hatte sie ein warmes, sicheres Gefühl. Ihre Schwesterngabe an Kathlene wäre das ultimative Geschenk. Sie zupfte weiter an ihrer Laute und sang leise eine alte Ballade:
Eine Geisha ist wie eine Laute. Bring ihre drei Saiten zum Vibrieren, und sie wird deine Musik genießen.
Die junge Maiko sang die Worte wieder und wieder, lauschte aber gleichzeitig aufmerksam nach dem Klacken von Holzschuhen im Korridor.
Im Teehaus war es ruhig. Alle wussten, wie wichtig diese Nacht war. Die anderen Geishas würden heute Abend nur private Gäste unterhalten. In den Räumen duftete es nach Kamelienöl, Rosenblüten und Jasmin – und darunter lag das Aroma der Lust.
Okâsan war in ihrem Zimmer und genoss ihren vorgewärmten Harigata, wie Mariko wusste, weil sie zuvor heimlich durch ein Loch in der Tür gespickt hatte. Okâsan hatte den wie ein Matsutakepilz geformten Stab so tief in sich geschoben, bis sie ganz und gar ausgefüllt war.
So machten es die einsamen Frauen, die sich nach geliebten Männern sehnten, deren Stimmen sie nie wieder hören und deren Berührungen sie nie wieder spüren würden.
Eine Saite ihrer Laute riss.
Das bedeutete großes
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