Die blonde Witwe
nachdem ich zuerst meinen Kram hinausbugsiert hatte.
Wir, meine Koffer, die Reiseschreibmaschine, die Aktentasche, Hesekiel und ich, wir standen auf einem Brett, vorsorglich für Kaminkehrer dort befestigt und gesichert.
Dieses Brett führte bis hinüber zum Nachbarspeicher, und ich dankte dem lieben Petrus für das warme, herrliche Maiwetter. Bei Kälte oder Regen wären die Dachluken verschlossen gewesen.
Drüben, im Nachbarhaus, stieg ich die Treppen hinunter, unter meiner Last ächzend und Hesekiel von Stufe zu Stufe nachziehend.
Schließlich trat ich unten auf die Straße, wie ein Mann, der seine Polizei genau kennt. Der gesuchte Jeremias Petersdorff wohnt auf Nummer 17, folglich kann er nicht aus Nummer 19 kommen.
Ich kam ungeschoren davon. Aber wohin sollte ich nun?
5
Zwei Jahre lang, seit ich bei Frau Wagner wohnte, hatte ich mich jeden Tag mindestens zweimal über das Parkverbot in meiner Straße geärgert, weil es mich zwang, mein Auto in einer Nebenstraße abzustellen.
Heute war das meine Rettung und zugleich ein Beweis dafür, daß man sich nie ärgern soll. Alles hat auch sein Gutes.
Ich verstaute meine Siebensachen hinten im Wagen. Hesekiel, der das Polster des Nebensitzes bereits demoliert hatte, baute sich neben mir ein Nest, und dann saß ich da, mit einer Zigarette zwischen den Lippen, und überlegte.
Um etwas mehr Vergnügen dabei zu haben, schaltete ich den Polizeifunk über mein Autoradio ein und hörte nun, wie sie unverschlüsselt über mich sprachen und mich suchten. Immerhin schienen sie meine Autonummer noch nicht durchgegeben zu haben.
Zwei Dinge sprachen dafür, zuerst einmal die Richtung nach Bogenhausen einzuschlagen. Da war nämlich Gitta, bei der ich Trost und einen guten Mokka bekommen konnte, und da war der Hausmeister Holzinger.
Was hatte der Mann im Bahnhof gestern abend gesagt? »Ah — mit ihr wirst du’s haben. Nichts für mich...«
Den Holzinger und diese sie wollte ich einmal näher betrachten.
Also fuhr ich zu Gitta.
Wie gut, daß sie mich bisher nicht als festen Herrn akzeptiert hatte. Niemand kannte sie, meine Kollegen in der Redaktion nicht und nicht die Polizei.
Um eine Erfahrung reicher, parkte ich nicht vor ihrem Haus, sondern wieder in einer Seitenstraße. Ich schloß mein Auto ab und machte mich mit Hesekiel auf den Weg.
Kurz vor Gittas Haus konnte ich gerade noch samt Hesekiel rechtzeitig in einen Hausgang entkommen. Aus Gittas Haustür kam ein schwammiger Kerl mit Glatze herausgewatschelt, das Gesicht voll Selbstzufriedenheit und Überraschung. Mein lieber Kollege Carl Offermann, Abteilung Edelpilze und Chrompflegemittel.
Natürlich, er kennt Gitta. Im Tierpark Hellabrunn hatten wir uns getroffen und ich hatte ihm damals, in einem Anfall von Aufrichtigkeit, Gitta vorgestellt. Und Gitta steht im Telefonbuch.
Es gibt soviel Unheil in der Welt, das von Menschen mit einem guten Gedächtnis ausgeht. Und dieser Wirtschaftler schien nur halb so dumm, als ich dachte.
Ich spähte ihm nach, bis er um die Ecke verschwunden war, wartete zur Sicherheit noch fünf Minuten, und dann klingelte ich an Gittas Tür.
Sie war nicht überrascht, als sie mich sah. Aber Hesekiel entlockte ihr einen leisen Schrei.
»Jerry, um Himmels willen, was ist das für ein Tier?«
»Ein Hund. Mein Hund. Und im Gegensatz zu dir liebt er mich. Darf ich endlich ‘rein?«
Sie murmelte etwas von Verantwortung, die ich allein zu tragen hätte, und zog sich in die Diele zurück. Hesekiel schnupperte an dem mausgrauen, weichen Bodenbelag und fing an, sich genüßlich darauf zu wälzen.
»Dieses Untier macht mir alles voll Hundehaare!«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Was für Haare soll er denn sonst haben? Könntest du mir nicht, ehe wir zum Kern der Sache vorstoßen, was zu trinken anbieten? Ich habe es dringend nötig. Eine ganze Armee ist hinter mir her.«
Wir gingen in ihr Wohnzimmer mit dem riesigen Fenster und den winzigen Sesseln. Wenn Gitta arbeitet, sieht es hier immer aus, als hätten Einbrecher alles durcheinander geworfen. Und immer wenn Gitta arbeitet, ist sie in schlechter Stimmung.
Sie gab mir, ohne dabei zu lächeln, ein Wasserglas voll Whisky, und sagte: »Fasse dich kurz. Was willst du? Mich unglücklich machen? Herr Offermann war schon da und hat mir gesagt, daß du den Hotelier erschossen und beraubt hast.«
Ich trank, setzte mich vorsichtig auf eins der kleinen Sesselchen und sagte: »Gittakind, ich glaube, kein Blödsinn ist zu groß, daß du ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher