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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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glotzte mich aus roten Trinkeraugen an, rülpste und murmelte: »Vergelt’s Gott, Kumpel. Aber woher soll ich wissen, daß der Holzinger fort ist? Sonst hat er immer...«
    Ich nahm ihn sanft am Arm, zog ihn an dem mißtrauischen Ordnungsmann vorbei aus dem Gedränge und bugsierte ihn an einen Tisch, an dem diesmal zur Abwechslung zwei junge Burschen saßen und mit Streichhölzern die nächste Runde ausknobelten.
    »Noch was zu trinken?« fragte ich den Mann. Nicht nur seine kleinen, tückischen Augen waren rot, sondern auch seine knollige Nase.
    Er konnte fünfzig sein, aber auch sechzig. Seine Bartstoppeln waren schmutziggrau und seine unordentlichen Haare hingen ihm im Nacken über einen speckigen Jackenkragen. Er musterte mich argwöhnisch.
    »Noch einen zu trinken?« wiederholte ich meine Frage.
    Sein Blick wurde noch argwöhnischer. Endlich fragte er: »Und was muß ich dafür tun? Kennen Sie den Holzinger?«
    Ich nickte.
    »Ich glaube, er hat mich ‘reingelegt«, sagte ich.
    In seinem zerfurchten Gesicht arbeitete es.
    »So was«, sagte er. »Haut einfach ab und sagt mir kein Wort. Wohin ist er denn?«
    »Das weiß ich auch nicht. Ich dachte, Sie wüßten es vielleicht.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Bier möchte ich. Nein, ich weiß nicht, wohin er ist. Schade um den schönen Job. War eine ruhige Kugel.«
    »Was denn?«
    »Hausmeister«, sagte er. »Der Holzinger war doch Hausmeister. In Bogenhausen. Eine ruhige Kugel, die ganze Heizung geht automatisch. Immer wenn er fort war, hab’ ich aufgepaßt und das Treppenhaus gekehrt. Und dafür hab’ ich mein Bier hier bekommen.«
    Die Kellnerin brachte zwei Gläser Helles. Wir tranken uns zu, und dann fragte ich: »Hat er denn den Hausmeisterposten auch aufgegeben?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Woher soll ich das wissen? Er hat mir ja nichts gesagt.«
    »Wieso arbeitete er dann hier, wenn er einen so guten Hausmeisterposten hatte.«
    Der Alte blinzelte.
    »Na ja, der Posten war schon gut. Freie Wohnung und ein paar Mark. Aber zum Leben? Hier geht doch immer was. Er hat doch was verdienen müssen.«
    »Ja, natürlich, übrigens kenne ich mich in Bogenhausen ganz gut aus. Eine Freundin von mir wohnt dort, in der Parkstraße.«
    Ich bohrte vorsichtig weiter.
    »Ah!« machte er. »Das ist nicht weit, wo der Holzinger Hausmeister ist.« Er nannte mir die Adresse, nur zwei Häuserblocks von Gitta entfernt. Aber dann wollte er wissen, ob ich auch ab und zu was für den Holzinger erledigt hätte. Ich zwinkerte mit den Augen.
    »Wer weiß? Darüber spricht man besser nicht.«
    Er stieß mich lachend mit dem Ellenbogen an.
    »Bazi, alter«, sagte er. Dann aber glitten seine Augen blitzschnell über meinen Anzug, sein Gesicht verschloß sich. Er murmelte: »Ah — mit ihr wirst du’s haben. Nichts für mich.«
    Er stand auf, und ehe ich zahlen konnte, hatte er den Imbißraum verlassen.

    Kurz nach acht Uhr brachte Frau Wagner das Frühstück, dürr und säuerlich wie eh und je. Nicht einmal der schöne Morgen konnte ihrem verbissenen Mund ein Lächeln entlocken. Dafür fragte sie plötzlich: »Hat der Herr Sie gestern noch getroffen?«
    Ich setzte die Kaffeekanne wieder ab.
    »Welcher Herr?«
    »Der gestern abend hier war. Er sagte, er komme von der Redaktion, und es sei sehr dringend.«
    Carl Offermann.
    »Ah«, sagte ich. »Herr Offermann. Mittelgroß, etwas aufgeschwemmt und glatzköpfig, was?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ziemlich groß, mager, sehr elegant und mit grauen Schläfen. Ein sehr gut aussehender Herr. Und sehr freundlich.«
    »Ach ja«, sagte ich. »Das geht in Ordnung. Wann war er denn hier?«
    »Er ist um halb zehn gekommen und hat mindestens eine Stunde auf Sie gewartet. Er hat gesagt, Sie würden kommen, weil er sich mit Ihnen hier verabredet hat.«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich ruhig sagen konnte: »Ja, vielen Dank, das hat alles seine Richtigkeit.«
    Sie schlurfte hinaus.
    Da hatte ich die Bescherung. Mister I hatte mir einen Besuch abgestattet, und zwar genau zu der Zeit, als ich am Bahnhof auf Andrea wartete.
    Sogleich tauchten Fragen auf.
    Woher wußte er meine Adresse? Was hatte er von mir gewollt?
    Es gab in dieser ganzen Geschichte nur einen einzigen Menschen, der meinen Namen, meine Anschrift und meine Telefonnummer kannte: Andrea.
    Wenn Mister I — den ich nun einmal als den Mörder ansah — ihr Telefongespräch mit mir belauscht hatte, wenn er sie gezwungen hatte, ihm die Wahrheit zu sagen, dann konnte alles andere

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