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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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aufmacht. Ich tat das, aber ich hörte immer nur das gleiche: die sanft gluckernden Wellen an den morschen Holzpfählen.
    Wenn hier einer war, so mußte er sich genauso ruhig verhalten wie ich. Und wenn mich hier einer hätte umlegen wollen, so wäre ich für ihn vorhin, als ich vom Steg aus in die Hütte trat, gegen den relativ hellen Nachthimmel eine prächtige Zielscheibe gewesen.
    Ich entschloß mich zu glauben, es sei außer mir niemand da. Folglich zündete ich mein erstes Streichholz an.
    Altes Gerümpel, verrottete Segel, Autoreifen, ein rostiger Kanister, ein Stück Segelmast, ein paar Stricke — aus.
    Das zweite Streichholz.
    Wieder das gleiche Bild. Dazu aber eine Tür, die schief in rostigen Angeln hing und nach draußen zum Ufer führte. Sie war angelehnt. Ich stand auf, zündete das dritte Streichholz an und bewegte die Tür. Sie knarrte laut, was mich beruhigte. Ich schloß die Tür wieder und wußte, daß ich jeden hören würde, der hier zu mir hereinkam.
    Plötzlich aber fiel mir ein, daß auch ein anderer so schlau sein konnte wie ich. Auch ein anderer konnte lautlos durch das Wasser kommen, während ich hier sorglos auf Schritte draußen und auf das Knarren der Tür wartete.
    Ich strich vier Hölzer auf einmal an, leuchtete über das Wasser hin...
    Ich war nicht allein.
    Fast genau unter mir schimmerte es goldblond im Wasser. Es wehte leise hin und her, mit jeder kleinen Welle, wie blonder Tang.
    Ich starrte wie gelähmt hinunter ins Wasser, bis ich mir die Finger verbrannte. Der Schmerz weckte mich aus meiner Erstarrung, jagte mir aber zugleich eiskalte Schauer über den Rücken.
    Hatte man Andrea hierher gebracht? War sie es, die so still und sanft unter mir im Wasser schaukelte?
    Ein neues Streichholz, mit zitternden Fingern angezündet.
    Sie schwamm mit dem Gesicht nach unten. Ich konnte nur den Hinterkopf sehen, nicht das Gesicht und nicht den Körper.
    Im Dunkeln tastete ich mich hinüber zu dem Stück Mast, kehrte vorsichtig tastend zurück, machte Licht und schob den Körper vorsichtig unter dem Steg heraus.
    Er ließ sich leicht bewegen, wie alles Schwere, was im Wasser schwimmt, aber es war ein hartes Stück Arbeit, den Körper mit einer Hand umzudrehen, während ich mit der anderen mein Streichholz halten mußte.
    Es war nicht Andrea.
    Es war die Frau, mit der ich heute noch gesprochen hatte, die Frau, die mir gesagt hatte, sie wisse von nichts und sie sei überhaupt nicht die Erbin ihres Mannes. Es war Frau Duklas.
    Ich legte mich auf den Bauch und leuchtete hinunter.
    Ihr Gesicht war friedlich. Nirgends konnte ich eine Verletzung finden. Sie trug noch die schwarze, mit feiner Spitze verzierte Bluse, die sie zur Beerdigung getragen hatte, und einen engen, schwarzen Rock. Auch die schwarzen Strümpfe hatte sie noch an, nur die Schuhe fehlten.
    Ich warf das Streichholz zu den anderen ins Wasser. Man konnte sie später finden. Es wäre mir unmöglich gewesen, sie jetzt alle wieder einzusammeln.
    Es war zwanzig nach zehn. Kein Mister I und kein Holzinger war bisher erschienen.
    Was aber hatte sich vorher hier abgespielt?
    Ein Unfall? War Frau Duklas gekommen, weil sie wußte, daß sie mich hier treffen würde? Wollte sie mir die Wahrheit sagen? Mich vor Holzinger oder Mister I schützen? Und war sie in der Dunkelheit ausgeglitten, hatte sich vielleicht den Kopf angeschlagen, war bewußtlos ins Wasser gefallen und ertrunken?
    Oder war nun auch sie ermordet worden? Warum lag sie hier, an dem Ort, den man mir als Treffpunkt genannt hatte?
    Wollte man mir, wenn es ein Mord war, auch ihn in die Schuhe schieben?
    Ich hockte wieder auf meinem Reifen und versuchte, diese Theorie logisch und lückenlos durchzudenken. Das Resultat war einfach und rasch gefunden: Dieser Plan, wenn er überhaupt bestand, konnte nur dann aufgehen, wenn mich die Polizei hier überraschte. Der Mörder konnte damit rechnen, daß ich brav hier sitzen und warten würde, daß ich die Tote nicht fand und daß mich die Polizei hier schnappen konnte, sozusagen ertappt auf frischer Tat.
    Gerade, als ich zu meinem Boot zurückkehren wollte, hörte ich es draußen im Wasser planschen. Jemand kam mit langen Sätzen durch das Wasser gerannt.
    Schon wollte ich durch die Tür flüchten, als ich noch etwas hörte. So konnte nur einer auf der Welt schniefen und prusten: mein Hesekiel.
    Ich trat durch die Tür ans Ufer hinaus, und trotz der Dunkelheit sah ich ihn in langen Sprüngen durch das seichte Wasser kommen, direkt auf mich

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