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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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und duckte mich. Er kam näher, und ich sah, daß es nicht Holzinger war, sondern mein Freund von der Tagschicht, der bayerisch-amerikanische Sprachkünstler. Mit ihm konnte ich, wenn es sein mußte, fertig werden.
    Ich sprach ihn an.
    »Hallo, was treiben Sie denn noch so spät hier bei den Autos?«
    Er schaute mich an wie eine erschrockene Maus, dann aber stahl sich ein demütiges Lächeln über sein Runzelgesicht.
    Er erklärte mir umständlich, daß er freiwillig jeden Abend um diese Zeit eine Runde über den Parkplatz mache. Die Leute seien so leichtsinnig, ließen oft die Scheinwerfer brennen oder verschlössen die Türen nicht, und da könne er sich doch nützlich machen und obendrein ein wenig Trinkgeld verdienen. Für ein paar Zigaretten oder ein Glas Bier würde es immer reichen.
    Ich war fast gerührt, daß es noch Menschen gab, die für ein Bier oder ein paar Zigaretten etwas taten. Ich gab ihm mein halbes Päckchen und zeigte ihm meine Misere.
    Er nickte, als habe er nichts anderes erwartet.
    »Der Wogen vom Chef, Gott hob ühn selig. Der Noie hat ühn gefahren. Mür gefällt er nücht.«
    »Wer? Der Neue? Der Holzinger?«
    »Ja, ich mag ühn nücht.« Und er jammerte mir etwas über meinen Freund Holzinger vor, der keine Pflichtauffassung habe, dauernd irgendwo sei, nur nicht da, wo man einen Portier brauche, und überhaupt...
    Ich hörte ihm kaum zu, denn ich wollte weg, so rasch wie möglich, und daß Holzinger lustig drauflosmordete, statt brav in seiner Portierloge zu sitzen, das wußte ich ohnedies.
    »Soll ich dü Schlissel holen?« fragte er schließlich und deutete auf den hellgrauen Buick.
    »Nein, wir machen das anders. Wir sind zu zweit und beide nicht schwächlich. Wir machen Hauruck und schaukeln den Ghia mit der Schnauze herum, bis ich ‘rauskomme.«
    Nach einer Weile hatten wir es geschafft. Es war auf dem Rollkies nicht einmal allzu schwierig gewesen.
    »Danke«, sagte ich, während ich den Motor anließ. »Vielen Dank, Sie sind ein sehr hilfsbereiter Mensch.«
    Er strahlte.
    »Das sagen oinem hoite so wenig Menschen, Herr. Recht gute Fahrt winsche üch.«
    Die konnte ich brauchen, diese Wünsche und die gute Fahrt. Ich hielt aber noch einmal an, winkte dem freundlichen Sprachgenie und riet ihm, dem Holzinger nichts von unserer Aktion zu erzählen.
    Und dann jagte ich davon, tankte den Wagen in Starnberg voll, raste über die Olympiastraße nach München, fuhr quer durch die Stadt zur Autobahn, und jagte weiter nach Bad Reichenhall.
    Gegen zwei Uhr morgens fing der weiße Strich auf der Autobahn an, sich vor meinem Wagen zu teilen. Er lief auseinander, wand sich in Schlangenlinien. Ich war zu erschöpft, um weiterzufahren.
    Kurz hinter dem Irschenberg verkroch ich mich auf einen Parkplatz, fand zwischen zwei riesigen Fernlastern volle Deckung, verschwand mit Hesekiel noch kurz hinter den Büschen, und dann machten wir es uns im Wagen so bequem wie möglich, wobei Hesekiel im Vorteil war.

    Das Brummen der abfahrenden Fernlaster weckte uns. Es war noch früh am Morgen. Ich war müde und zerschlagen, aber es schien mir besser, von der Autobahn zu verschwinden.
    Ich verließ sie bei der Ausfahrt Rosenheim, fuhr Richtung Süden weiter und parkte noch einmal in einem Waldweg, der von der Straße aus nicht einzusehen war. Dort schlief ich noch zwei Stunden und traf um neun Uhr in Bad Reichenhall ein.
    Ich stellte den Ghia in eine Nebenstraße und meldete vom Postamt aus ein Gespräch nach Starnberg an.
    Es war natürlich ein Risiko, mit dem Hotel »Seeadler« zu telefonieren, aber es blieb mir nichts anderes übrig, wenn ich Doris vor Kummer mit der Kripo bewahren wollte.
    Ich bekam sie an den Apparat. Ihre dunkle rauchige Stimme klang noch dunkler.
    »Kindchen«, fragte ich, »bist du schon in der Lage, ein paar klare Gedanken zu verarbeiten?«
    »Oh, Jerry!« stöhnte sie. »Du verlangst eine Menge von mir. Ich bin nämlich sehr spät zu Bett gegangen.«
    »Ich weiß, das war nicht schwer zu erraten. Schenkt er dir ein Segelboot?«
    Sie gähnte.
    »Ich — ich weiß nicht. Er ist verrückt. Er will mich heiraten, hat er gesagt. Aber ich weiß nicht, ob mir ein Segelboot ohne Ehemann nicht lieber wäre. Und was gibt’s bei dir?«
    »Einiges. Hast du schon gefrühstückt?«
    »Nein, warum?«
    »Ist irgendein Wirbel im Hotel?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Also war die Kripo noch nicht bei dir?«
    »Ich kann mich nicht daran erinnern. Hast du wieder jemanden umgebracht?«
    »Es könnte

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