Die blonde Witwe
»Es hat schon bessere gegeben.«
»Ich — wieso?« stammelte der Kleine.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Das weiß ich nicht, wieso. Du aber bist eine Flasche, mein Freundchen. Und wenn ich jetzt weiter spazierengehe, dann möchte ich dein Fuchsgesicht nicht mehr hinter mir entdecken, wenn ich mich zufällig mal umdrehe.«
Ich ließ ihn stehen und kehrte auf die Promenade zu den Bootsschuppen zurück.
Die junge Frau lag immer noch im Liegestuhl.
»Der Herr ein Elektroboot?«
Da kam mir die Erleuchtung.
»Ja«, sagte ich. »Aber nicht jetzt. Später. In einer Stunde etwa. Und dann brauche ich es für eine Nachtfahrt.«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf, ohne aufzustehen.
»Das wird nicht möglich sein. Wir verleihen erstens unsere Boote nicht nachts, und zweitens müssen die Akkumulatoren aufgeladen werden.«
»Geben Sie Ihrem guten Herzen einen Stoß«, sagte ich. »Und denken Sie an die Liebe. Was würde die Stunde kosten?«
»Fünfzehn Mark, aber nachts...«
»Ihr nehmt es von den Lebenden. Na schön, dann sagen wir für eine halbe Nacht einen ganzen Hunderter? Wenn Sie meine Braut kennen würden, könnten Sie mich verstehen.«
Sie stand auf und schien zu überlegen, ob es jemanden gab, der soviel Geld auch für sie anlegen würde. Dann sagte sie: »Ausnahmsweise wird es sich machen lassen. Natürlich müssen Sie etwas einsetzen.« Ein kurzer Blick von unten nach oben. »Man sieht es den Leuten ja an, ob sie ordentlich und ehrlich sind. Wann kommen Sie?«
»Etwa um neunzehn Uhr. Und bitte ein Boot mit vollen Batterien.«
Ich kroch durch die Unterführung am Bahnhof, an der man an Höhe soviel gespart hat, daß jeder normale Mensch seinen Kopf einzieht, wenn er durchgeht.
Den Kleinen hinter mir sah ich nicht mehr. Er hatte vielleicht aufgegeben oder er gab sich mehr Mühe.
Ich nahm ein Taxi und ließ mich ein Stück in Richtung Pöcking fahren. Als ich sah, daß uns kein Wagen folgte, ließ ich anhalten, bezahlte und trottete mit Hesekiel quer durch den Wald, Richtung »Seeadler«.
Um nicht allzu sehr aufzufallen, band ich Hesekiel an einem Busch in der Nähe des Hotels fest, ging durch den Personaleingang bis zu meiner Etage hinauf, packte mein kleines Köfferchen und verschwand auf dem gleichen Weg. Ob mich jemand von Holzingers Firma dabei gesehen hatte, wußte ich nicht.
Hesekiel brachte sich vor Freude fast um, als ich wieder bei ihm war. Wir gingen einträchtig miteinander quer durch den Wald nach Starnberg zurück, soweit das wegen der vielen privaten Gartenzäune möglich war, und kurz nach sieben Uhr fuhren wir los.
Das Abendessen im Restaurant des Schloßhotels Berg war in vollem Gange, als Hesekiel und ich den Raum mit den vielen Fenstern zum See hinaus betraten. Ich bückte mich zu meinem Hund hinunter.
»Such’s Bräutle! Such die kleine Chinesin!«
Er machte sich auf den Weg unter die Tische, während ich meine Augen auf den Weg über die Tische hin schickte. Aber er war schneller. Ein Mordsradau ging los: Hundegebell, umfallende Stühle, ein spitzer Frauenschrei.
Es war nicht seine Braut, die er entdeckt hatte, sondern ein kleiner Drahthaarfox, mit dem er sich jetzt in der Wolle hatte. Das ganze Lokal geriet in Aufruhr, und ich bekam nicht nur freundliche Worte zu hören. Schließlich bat mich der besorgte Geschäftsführer, der offensichtlich keinen Sinn für einen fair ausgetragenen Zweikampf hatte, meinen Hund an die Leine zu nehmen.
Ich tat, als gebe ich mir Mühe, meinen Hund zu fassen, aber ich ließ Hesekiel Zeit, mit dem Kollegen fertig zu werden, was sein Selbstbewußtsein ungemein stärkte.
An dem Tisch, zu dem jener arme Fox gehörte, saß eine schöne Dame mit nachtschwarzem Haar und südländisch dunklen Augen. Sie hieß, wenn mich nicht alles täuschte, Erna Heidemann, und schien über meine Anwesenheit genauso überrascht, wie ich über ihre.
Wir starrten uns eine Sekunde lang an, aber der Mann, den ich suchte, war nicht bei ihr. Hatte die Firma Holzinger den ganzen Starnberger See besetzt?
Ich ging hinaus und war davon überzeugt, daß nun bald jemand telefonieren würde. Vielleicht aber auch nicht, wer konnte das schon wissen?
Schließlich fand ich Doris in der Bar und in Rolfs Armen. Sie hatte schon ganz schön geladen.
»Ah!« rief sie entzückt. »Da kommt ja unser Mörderchen! Wie viele dicke Hoteliers...«
Ich konnte ihr gerade noch den Mund zuhalten. Zu meinem Glück war die Bar noch leer. Nur der Mixer grinste und hielt Doris’ Begrüßung
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