Die blonde Witwe
sein, daß sie das glauben. Aber nun hör mal: Bring sofort deinen Rolf auf Touren und fahre mit ihm fort. Lokalwechsel. Fahr’ irgendwo hin, in irgendein anderes hübsches Hotel, möglichst in Tirol oder in der Schweiz. Und dort bleibt ihr ein paar Tage, bis ich hier alles erledigt habe. Verstanden?«
»Nein. Warum muß ich mit Rolf fortfahren?«
»Du kannst auch allein fahren, aber du hast doch keinen Wagen. Rolf würde sich bestimmt freuen, ein paar Tage mit dir...«
»Zum Teufel, warum denn ausgerechnet Rolf? Könnte ich nicht mit Charley fahren?«
»Wer ist denn Charley?«
»Den hab’ ich heute nacht kennengelernt. Er ist Schriftsteller, hat ein Motorboot in Ascona und will mich wenigstens nicht sofort heiraten.«
»Gut«, seufzte ich, »dann fahre in Gottes Namen mit Charley. Aber es muß sofort sein. Ihr dürft keine Zeit verlieren.«
»Moment mal«, sagte sie, und dann hörte ich, wie sie offenbar versuchte, diesen Charley zu wecken. Zwischendurch gab sie mir den jeweils neuesten Lagebericht, was sich etwa folgendermaßen anhörte: »He, Charley, so wach doch auf. Er schläft wie ein Murmeltier, aber du darfst nicht denken, Jerry, daß er die ganze Nacht hier geschlafen hat, er ist nämlich erst vorhin... Charley, wir müssen aufstehen und nach Ascona fahren... Er hat nämlich solche Kopfschmerzen gehabt und da ist er vorhin gekommen, ob ich Tabletten… Charley, können wir nachher gleich fortfahren, nach Tirol oder in die Schweiz... Jetzt macht er die Augen auf, er ist goldig, wie ein kleiner, verschlafener Junge... Charley, wenn wir gleich fahren, dann könnten wir doch vielleicht unterwegs frühstücken, nicht wahr? Also gut, Jerry, ich kriege das schon hin. Und was wird aus meinem Auto?«
»Dem passiert nichts. In ein paar Tagen ist alles vorbei. Ich werde ab und zu bei dir zu Hause anrufen, und dann merke ich schon, wenn du wieder da bist. Charley hat doch hoffentlich einen Wagen?«
»Oh, einen wundervollen! Einen ganz kleinen, irrsinnig schnellen Sportwagen, keinen müden Alfa.«
»Gott mit dir, Kindchen.«
Ich hängte erleichtert ein. Wenn sie mit ihrem Charley wirklich sofort abfuhr, brauchte ich mir wenigstens um sie keine Sorgen zu machen. Selbst dann nicht, wenn die Firma Holzinger dieses Gespräch mitgehört hatte. Denn Holzinger konnte den Mund erst aufmachen, wenn die Kripo mein Postsparbuch gefunden hatte, und das würde niemals der Fall sein.
Ich zahlte das Gespräch und hatte das Gefühl, das Postfräulein blickte mich sonderbar an.
Dann setzte ich mich mit Hesekiel in eine Milchstube zum Frühstück und ich hatte das Gefühl, die alte Frau hinter der Theke blickte mich sonderbar an.
Und als ich schließlich in einem Lebensmittelgeschäft ein Paket Hundekuchen kaufte und das Adreßbuch verlangte, da blickte mich der Verkäufer sonderbar an. Es fehlte nur noch, daß ich am helllichten Tag weiße Mäuse sah.
Ich notierte mir drei Internate, klapperte sie ab und fragte überall nach einem Fräulein Andrea Duklas.
Sie war in keinem der drei.
Vielleicht war sie überhaupt nicht hier, oder man hatte mich angelogen...
Ich ging zum Fremdenverkehrsverein und sagte, ich wolle eine Weile ins Ausland reisen und in der Zwischenzeit meine Tochter hier unterbringen.
Man schrieb mir die drei Adressen auf, die ich schon kannte, und noch eine vierte dazu. Ich bedankte mich, holte den Ghia und fuhr nach Bayrisch-Gmain hinauf. Kurz vor der Brücke bog ich links ab in einen Feldweg, der nach hundert Metern steil in einen Wald anstieg.
Im ersten Gang arbeitete sich der Wagen durch den Hohlweg hinauf, und oben lichtete sich der Wald. Das Haus »Bergblick« lag vor mir, am Rand einer Lichtung, die wie ein Park gestaltet war. Gepflegter Rasen, überall schöne Büsche und blühende Sträucher.
Wie bunte Tupfen standen einige Hollywoodschaukeln herum, in denen junge Mädchen saßen. Auch auf dem Rasen lagerten welche auf Decken und hörten Musik aus kleinen Kofferradios. Sie genossen den Sonntagmorgen.
Ich ließ den Ghia am Waldrand stehen, nahm Hesekiel an die Leine und ging zur Terrasse, die sich vor dem Haus hinzog, und von wo aus man das wuchtige Massiv des Predigtstuhls direkt vor Augen hatte.
Die Mädchen sahen sich nach mir um. Andrea war nicht dabei.
Die Haustür stand offen, aber ich zog an dem handgeschmiedeten Klingelstrang. Ein junges Mädchen, pummelig, mit Sommersprossen und einem roten Schimmer im Haar fragte nach meinen Wünschen.
»Ich möchte Fräulein Andrea Duklas
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