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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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für einen besonders aparten Scherz.
    »Ich brauche deinen Wagen, Kindchen«, sagte ich. »Und deine Wagenschlüssel. Für heute nacht.«
    Sie versuchte, mich zärtlich in die Hand zu beißen. Ich nahm sie vorsichtig von ihrem Mund und wandte mich an den jungen Mann.
    »Helfen Sie mir bitte, sie zur Vernunft zu bringen. Ich brauche ihren Wagen und die Schlüssel. Außerdem gebe ich Ihnen einen Geheimtip: Doris ist in dieser Verfassung unbrauchbar; sie kichert dann nur noch. Geben Sie ihr was zu essen und ein paar starke Mokkas.«
    »Ach ja«, sagte Doris plötzlich ganz vernünftig. »Gehen wir endlich essen. Ich möchte eine Renke gebraten und Kartoffelsalat dazu.« Sie kramte in ihrer Krokodiltasche und brachte die Wagenschlüssel zum Vorschein. Während sie die Schlüssel in meine Hand fallen ließ, sagte sie zu Rolf: »Er meint, ich hätte gekichert, weil ich besoffen war, aber das ist es nicht. Ich habe aus einem ganz anderen Grund gekichert. Und jetzt will ich eine Renke, frisch aus dem See gefangen. Rölfchen, fängst du mir eine Renke? Und du, Jerry, sei lieb zu meinem kleinen Wagen, ja?«
    Hesekiel war bereits wieder in voller Fahrt mit seinem Fräulein Braut, aber Doris nahm ihre weiße Schlummerrolle auf den Arm und sagte mit Tränen in den Augen: »Ach, das hat man davon, wenn man sich mit euch Männern einläßt, und dann kommt man dazu, wie die Jungfrau zum Kind. Rölfchen, fängst du mir jetzt eine Renke?«
    Ich zog den widerstrebenden Hesekiel an der Leine hinaus ins Freie. Die kühle Abendluft tat uns beiden wohl, aber ein wenig war mir auch nach Abendessen zumute.
    Wir hatten noch Zeit, und so zuckelten wir gemächlich das Ufer entlang, um in Ambach eine Renke zu essen, gebraten, mit Kartoffelsalat.
    Die Nacht fiel rasch herein, es kam kein Mond am Himmel hoch, der See war wie schwarzer Plüsch. Um Viertel nach neun fuhr ich los, richtete mich nach den Lichtern von Starnberg und hielt weiter links, wo ich nach einer Weile auch die Lichter des Hotels »Seeadler« erkannte.
    Ich kam etwa zwischen Possenhofen und Pöcking unter Land, schaltete auf Stufe eins zurück, wodurch das Boot ohne den geringsten Laut langsam voranglitt, und hatte meine liebe Not mit Hesekiel, dem der gutgesalzene Fisch Durst gemacht hatte. Er hechelte laut und wollte unbedingt Wasser trinken. Ich schöpfte ihm etwas mit der hohlen Hand, spürte seine warme, liebevolle Zunge und war nicht mehr allein.
    Schließlich, etwa zwanzig Meter von dem Bootshaus entfernt, schaltete ich den Antrieb ganz aus, hielt Hesekiel die Schnauze zu und lauschte mit offenem Mund.
    Die Umrisse des Bootshauses waren schwach zu erkennen.
    Die Leuchtziffern meiner Armbanduhr zeigten mir, daß es dreiviertel zehn war.
    Das Wasser rauschte in kleinen, leisen Wellen auf dem Uferkies, ein träger Wind raschelte im Schilf, sonst war alles still. Ab und zu kam ein Ruf vom Parkplatz herüber oder das Brummen eines Motors.
    Die Strömung trieb mich ab, Richtung Starnberg, und ich mußte das Boot mit kurzen Stromstößen korrigieren.
    Wenige Minuten vor zehn Uhr legte ich das Boot ein paar Meter neben dem Bootshaus leise auf den Sand, zog Schuhe und Strümpfe aus und krempelte mir die Hosenbeine hoch. Dann watete ich, Hesekiel mit leisen Ermahnungen im Boot lassend, durch das Wasser bis zum Bootshaus.
    Das Wasser war eiskalt, meine Waden krampften sich zusammen. Ich war froh, als ich die zerfallene Holztreppe erreicht hatte, die von einem kurzen Steg aus ins Wasser führte.
    Ich kletterte hinauf — das Holz fühlte sich an meinen nackten Sohlen warm an —, schlich auf dem Steg entlang und merkte erst in der Holzhütte, wie hell es draußen gewesen war.
    Ich setzte mich auf einen alten Autoreifen und wartete.

8

    In dieser alten, halb zerfallenen Bootshütte dankte ich allen Leuten, die Feuerzeuge herstellen. Seit Jahren ließ ich mich immer wieder von ihren Reklamen dazu verführen, mir ein neues Modell zu kaufen, um es dann nach einiger Zeit wieder gegen meine treuen, niemals versagenden Zündhölzer zu vertauschen. Dank dieser Industriellen hatte ich auch jetzt, in der pechschwarzen, undurchdringlichen Finsternis, zwei Schachteln Streichhölzer in der Tasche. Wenn man zwei oder drei zusammen anzündete, so gab das eine ganz beachtliche Illumination.
    Konnte ich mir ein solches Feuerwerk aber leisten?
    Ich hockte still auf meinem Reifen und lauschte. Alte Soldaten haben mir erzählt, daß der Mensch besser hört, wenn er die Augen schließt und den Mund

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