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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Andrea. Darf ich jetzt ein paar Fragen stellen?«
    »Ja, natürlich.«
    »Warum sind Sie damals auf den Bahnhof gekommen? Was wollten Sie dort?«
    Ihre schmalen Finger waren ineinander verschlungen.
    »Das war... Ich muß etwas ausholen. Ich hatte ein Telefongespräch gehört, zufällig. Das heißt, mein Vater telefonierte, und ich hörte, wie er sich am Bahnhof verabredete. Er sagte, er werde wie immer hinkommen, und er sagte >du<. Da dachte ich... Wissen Sie, es war damals... Also, er hatte eine Geliebte, und meine Mutter erfuhr davon, meine richtige Mutter. Und das war schrecklich. Sie hätten sich beinahe scheiden lassen, und ganz hat meine Mutter das nie überwunden. Nach ihrem Tode hat er wieder geheiratet. Zuerst wollte ich von dieser Frau nichts wissen, aber dann war sie nett zu mir, und auf einmal verstanden wir uns ganz gut. Dann wurde mein Vater wieder so sonderbar. Er war nächtelang nicht zu Hause, und eines Tages habe ich ihn gefragt, ob er wieder... Na, Sie verstehen schon, und da wurde er schrecklich böse und hat mich ins Internat geschickt. Ich denke, er hat es nur getan, weil ich ihn durchschaut hatte. Und dann kamen diese kurzen Ferien, und ich merkte, daß meine Stiefmutter irgendwie gedrückt war, nicht so fröhlich wie sonst, und zufällig hörte ich dieses Telefongespräch. Da wollte ich wissen, ob Vater wirklich wieder... Und so war ich auf dem Bahnhof.«
    Ich nickte.
    »Jetzt verstehe ich. Sie wollten sehen, ob er sich dort mit einer anderen Frau trifft?«
    »Ja.«
    »Und da bin ich dazwischengekommen?«
    »Ja.«
    »Aber Sie hatten doch jemanden gesehen, nicht wahr? Ich weiß noch, daß Sie sich plötzlich gebückt haben, um nicht selber gesehen zu werden. War da Ihr Vater gekommen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Da entdeckte ich einen Mann, der vor einigen Tagen bei uns draußen gewesen war. Mein Vater hatte ihn als Portier eingestellt, er heißt Holzinger, und ich weiß nicht — ich hatte ihn vorher nicht gesehen, weil ich wahrscheinlich immer nur auf die beiden Eingänge gestarrt hatte. Aber plötzlich sah ich ihn hinter der Theke. Er blickte gerade her, und da war das so eine Reaktion von mir. Und dann dachte ich, daß das blöd war, denn wenn er mich vorher schon gesehen hatte, dann konnte ich es ja auch nicht ändern.«
    »So«, sagte ich, »der Holzinger. Und Ihr Vater ist nicht gekommen?«
    »Nein, wenigstens nicht, solange ich dort war. Sie wissen, daß ich schließlich heimgefahren bin. Ich kam mir plötzlich recht albern vor mit meiner Spioniererei.«
    Ich nahm ihre Hände.
    »Andrea — es ist ein fürchterliches Verbrechen geschehen. Dieser Holzinger steckt da mit drin. Ich weiß nur noch nicht, wie tief. Es ist aber noch ein Mann beteiligt, vermutlich ist er sogar die Hauptfigur. Er kam, nachdem Sie fort waren, und er sprach mit mir. Er sagte, Sie seien seine Tochter. Er nannte mir auch Ihren Namen, aber dieser Mann war nicht Ihr Vater. Ich glaube, er hatte schon damals die Absicht, Ihren Vater umzubringen, und er hatte sich einen raffinierten Plan ausgedacht, auf den ich hereingefallen bin. Jetzt sieht es so aus, als sei ich der Mörder. Wer könnte dieser Mann gewesen sein? Kennen Sie die Freunde Ihres Vaters?«
    Wieder schüttelte sie den Kopf.
    »Früher schon«, sagte sie. »Aber in letzter Zeit hat mich mein Vater nie mehr zu Parties mitgenommen, und wenn Gäste ins Haus kamen, wurde ich nicht vorgestellt. Und dann war ich ja hier im Internat.«
    »Ich nehme an, daß der Mann, den ich suche, ein Freund Ihres Vaters war. Ein guter Freund sogar. Gut aussehend, groß, zwischen fünfzig und sechzig. Kennen Sie einen Freund Ihres Vaters, der so aussieht?«
    »Nein, wirklich nicht.«
    »Kennen Sie den Namen Heidemann? Haben Sie den irgendwann einmal gehört. Bitte, denken Sie in Ruhe nach.«
    Ich beobachtete sie von der Seite. Ihre hohe Stirn war leicht gerunzelt, ihre Augen ein wenig zusammengekniffen, ihre Nasenflügel zuckten.
    »Nein«, sagte sie endlich, »ich habe diesen Namen noch nie gehört.«
    »Gut, und jetzt erzählen Sie mir bitte alles, von dem Augenblick an, wo Sie hörten, daß Ihrem Vater etwas zugestoßen war.«
    »Das war — am Donnerstag früh. Ich sah ein Polizeiauto kommen. Es hielt vor dem Hotel, und dann kümmerte ich mich nicht mehr darum. Ich ahnte ja nicht, weshalb es gekommen war. Und dann kam Reni — meine Stiefmutter. Ich nannte sie Reni; sie heißt Renate. Sie kam in mein Zimmer gestürzt, totenblaß, und sagte, Vater sei etwas

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