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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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sprechen.«
    »Oh — die Andrea! Schrecklich, nicht? Das mit ihrem Vater, nicht? Sie ist erst heute nacht zurückgekommen.« Mit einem Blick auf den Rasen fuhr sie fort: »Die sollten heute keine Musik machen, nicht? Andrea ist oben auf ihrem Zimmer, aber ich muß Sie bei Frau Gregorius anmelden, nicht?«
    »Bitte, ja. Ich bin ein Vetter von Andrea, um ein paar Ecken herum, und weil ich gerade in der Nähe zu tun hatte, wollte ich sie kurz einmal besuchen.«
    »Gut«, sagte das Pummelchen, das sicherlich eines Tages eine große Familie haben würde. »Gut, ich melde Sie Frau Gregorius. Wie ist Ihr Name, bitte?«
    »Herbert — Berg.«
    »Einen Augenblick, Herr Berg.«
    Sie verschwand, ihr fülliges Hinterteil in engen Blue jeans schwingend, in der halbdunklen, großen Diele, an deren Wänden mächtige Hirschgeweihe hingen.
    Und dann kam Therese Giese. Feierlich, mit hartem Gesicht und verkniffenem Mund, und sehr dunkel gekleidet. Erst als sie dicht vor mir stand, sah ich, daß es doch nicht die Giese war, ihr fehlte die Güte in den strengen Augen.
    »Ich bin Frau Gregorius«, sagte sie. »Sie wünschen Fräulein Duklas zu sprechen?«
    »Ja, bitte.«
    »Man sagte mir, Sie seien mit Andrea verwandt?«
    »Fast«, entgegnete ich. »Meine und ihre Mutter waren Schulfreundinnen, und wir kennen uns schon von klein an.«
    »Schrecklich für das Kind«, sagte sie. »Nehmen Sie bitte Rücksicht auf sie. Hat Ihr Besuch einen besonderen Grund, Herr Berg?«
    Sie wollte nicht, die Alte, und ich sah es ihr an, daß sie mir kein Wort glaubte. Schließlich aber willigte sie doch ein, und es kam nun darauf an, wie intelligent Andrea war und wie rasch sie schaltete.
    Als sie hereinkam, blaß und schmal in ihrem dunklen Kleid, ging ich ihr sofort zwei Schritte entgegen und sagte, noch ehe ihr Erstaunen allzu sichtbar werden konnte: »Andrea! Wie gut, daß ich zufällig hier zu tun hatte. Ich dachte, es würde dir ein wenig helfen, mich zu sehen.« Ich stand dicht vor ihr und flüsterte: »Ich heiße Herbert.«
    Sie verstand sofort.
    »Ja, Herbert — ich freue mich. Du weißt ja, was geschehen ist.«
    Ich wandte mich um. Mein Blick kreuzte sich mit dem von Frau Gregorius, und mir schien, als zucke ein spöttisches Lächeln über ihr Gesicht. Sie erlaubte uns gnädig, in den Garten zu gehen.
    Neugierige Mädchenblicke folgten uns, als wir eine Bank suchten, die etwas abseits stand. Wir setzten uns. Hesekiel hockte direkt davor und schaute uns mit schiefem Kopf an.
    »Der ist nett«, sagte Andrea. »Wie kommen Sie hierher und warum?«
    »Ich habe Sie gesucht. Es war nicht einfach.«
    Ich sah die gleiche Abwehr in ihrem Gesicht wie damals auf dem Bahnhof.
    »Hat Ihnen meine Mutter...«
    »Nein«, sagte ich rasch. »Das ist alles viel komplizierter. Sie haben mich also am Donnerstag abend nicht angerufen?«
    Ihre grauen Augen ruhten eine Sekunde fragend auf meinem Gesicht, dann starrte sie vor sich ins Gras.
    »Ich verstehe Ihre Frage nicht. Weshalb sollte ich Sie angerufen haben?«
    »Jemand hat es getan«, sagte ich. »Jemand hat, mit Ihrer Stimme — oder es schien mir wenigstens Ihre Stimme zu sein — gewollt, daß ich nochmals zum Bahnhof komme. Er hat auch gesagt, daß er den Mörder Ihres Vaters kenne. Ich bin sofort zum Bahnhof gefahren, habe auf Sie gewartet, und als ich zurückkam, hatte man mein Zimmer durchwühlt, und unter meiner Couch lag die Waffe, mit der Ihr Vater erschossen worden ist.«
    Ich sah, wie es in ihrem schönen, schmalen Gesicht arbeitete. Sie wehrte sich dagegen, mir zu glauben.
    »Andrea, bitte sehen Sie mich an. Halten Sie mich für einen Mörder, für den Mann, der Ihren Vater erschossen hat?«
    Helles Entsetzen stand in ihren Augen. Sie starrte mich eine Weile an, dann senkte sie den Blick und sagte leise: »Ich verstehe nicht, was Sie von mir wollen. Haben Sie denn meinen Vater gekannt?«
    Ich erzählte ihr nun, was sich — aus meiner Sicht — ereignet hatte und ich sagte ihr, daß mich die Polizei nun für den Mörder ihres Vaters halte, daß ich von zwei Seiten zugleich gejagt werde und daß ich meinen Kopf nur retten könne, wenn ich den wirklichen Mörder fände.
    »Wollen Sie mir helfen, Andrea? Wollen Sie?«
    Ihr Mund, der immer noch so aussah, als sei er noch nie geküßt worden, zuckte. Endlich sagte sie: »Wenn ich Ihnen helfen kann, will ich es tun.«
    Als hätte er es verstanden, rollte sich Hesekiel vor ihren Füßen zusammen. Ich deutete auf ihn und sagte: »Wir beide danken Ihnen,

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