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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Fleisch.
    Die Unterhaltung zwischen einem Kriminalkommissar und einem Mörder gleicht dem Schachspiel. Man weiß genau, worauf der andere hinauswill, aber man weiß nicht, mit welchen Zügen er das zu erreichen hofft. Phantasielose eröffnen mit allgemein bekannten Standardzügen, etwa so: »Na, wollen Sie nicht Ihnen und mir weiteren Ärger sparen und gleich ein Geständnis ablegen?«
    Routiniers fragen: »Sagen Sie mal, wo waren Sie am 2. Mai nachts um Null Uhr dreiundzwanzig?«
    Oberinspektor Margreiter entschied sich für eine andere, ebenso abgegriffene Tour, die freundliche: »Na, Petersdorff, eine Zigarette?«
    Er schob mir seine Schachtel über den Tisch, die Streichhölzer dazu, und ich tat, was jeder in meiner Lage getan hätte: ich griff mit zitternden Fingern zu und rauchte.
    Er rauchte ebenfalls und sagte schließlich: »Erzählen Sie mal.«
    »Ich habe den Hotelier Paul Duklas nicht umgebracht.«
    Er zog die dünnen, blonden Augenbrauen hoch, die man in seinem Gesicht erst entdeckte, wenn er sie hochzog.
    »Habe ich das behauptet? Nicht daß ich wüßte. Ich wollte gern von Ihnen hören, wie Sie in diese Mordsache verwickelt worden sind. Wann und wo haben Sie Duklas kennengelernt?«
    »Gar nicht. Das heißt, erst als er eine Leiche war, und da wußte ich nicht einmal, daß es Duklas war.«
    Er nickte mir zu.
    »Nur weiter. Vorerst finde ich alles noch ein wenig wirr. Vielleicht könnten wir uns drauf einigen, daß Sie ganz von vorn anfangen?«
    »Gut. Ich war abgebrannt und brauchte Geld. Ich ging auf den Bahnhof, wohlgemerkt nachts und in den Imbißraum. Warum, Herr Oberinspektor laufen Hunderte von Polizisten herum und schreiben falsch geparkte Autos auf, statt sich die Papiere von dem Gesindel zeigen zu lassen, das sich nachts im Imbißraum herumtreibt?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Diese Frage müssen Sie an die Landtagsfraktion der jeweiligen Regierungspartei richten. Hier sind wir leider bei der Mordkommission. Sie waren also nachts im Bahnhof? Wann?«
    »Am Montag, dem 29. April. Das heißt, vorher schon einmal. Da war ein Kerl an der Theke, dem ich fünf Mark gab, damit er mir einen Job verschaffte. Ich wollte irgend etwas erleben, um einen Artikel schreiben zu können, einen mit Salz, Pfeffer und möglichst noch Dynamit. Am Montag also zeigte mir der Kerl an der Theke... Er heißt übrigens Holzinger. Wollen Sie das nicht gleich mitschreiben lassen? Ich brauche es dann fürs Protokoll nicht zu wiederholen.«
    Er dachte einen Augenblick nach, dann winkte er ab.
    »Sprechen Sie sich ruhig erst aus, wir können es dann im Protokoll zu Ihren Gunsten formulieren.« Er zog sich einen Notizblock heran und fragte: »Holzinger, sagten Sie?«
    »Ja. Carl Holzinger. Carl mit C, vielleicht auch mit K, ich weiß es nicht genau. Er zeigte mir also einen Mann, der angeblich einen Job für mich hatte. Ich ging zu ihm, wir unterhielten uns kurz, dann wechselten wir auf seinen Wunsch das Lokal und dann sagte er mir, er besitze ein Hotel, sei pleite, und er besitze außerdem noch eine Frau, die er liebe. Er wolle seine Pleite nicht überleben, als strengem Katholiken sei ihm aber ein Selbstmord verboten, und außerdem könne er das seiner Frau nicht antun, daß man ihn nicht ordentlich beisetze. Er lebe in einem kleinen Ort, wo die Bräuche in dieser Hinsicht noch recht streng gehandhabt würden. Er verlangte von mir, ich solle, wenn er sich erschossen habe, seine Pistole wegnehmen, so daß es wie ein Mord aussehe.«
    Margreiter schien Zahnschmerzen bekommen zu haben; sein Gesicht war schmerzlich verzerrt. Er stöhnte: »Mann, welcher Richter und welche Geschworenen sollen Ihnen das abkaufen?«
    »Und Sie, Herr Oberinspektor?« fragte ich zurück. »Halten Sie mich für einen Mörder? Weshalb sollte ich Duklas denn ermorden?«
    Er lächelte höflich.
    »Das eben möchte ich ja von Ihnen hören.« Er kramte in einem Papierstoß, zog einen Zeitungsausschnitt heraus und wedelte damit vor meinem Gesicht herum. »Das, Herr Petersdorff, haben Sie vor drei Jahren geschrieben. Ich muß gestehen, daß mir dieser Artikel damals schwer gestunken hat. Sie behaupten darin, es sei das größte Glück für die Polizei, daß die Verbrecher noch dümmer sind als die Polizisten. Erlauben Sie mir also, sehr dumm zu sein. Können Sie mir nicht eine Geschichte erzählen, die auch ein dummer Mensch wie ich begreift?«
    Diesmal zuckte ich ergeben mit den Schultern.
    »Ich erzähle, ob Sie es glauben oder nicht, die Wahrheit. Bis

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