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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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ihr, wie ich ihre Stiefmutter fand, und was dann geschah. Ich nahm ihre beiden Hände und schloß: »Andrea, ich habe keine Ahnung, was noch folgen wird. Ich weiß, daß ich viel von Ihnen verlange. Lassen Sie sich nicht anmerken, was Sie jetzt wissen. Irgendwie müssen Sie‘s ja erfahren, und aus der Art, wie man es Ihnen sagt, oder aus dem, was man Ihnen sagt, kann ich vielleicht Schlüsse ziehen. Wenn es um das Geld geht, um die halbe Million, sind Sie außer jeder Gefahr, denn der Mörder braucht Sie noch, weil nur Sie das Geld bekommen werden. Aber er muß sich bei Ihnen melden, so oder so.«
    Sie nickte stumm. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, und ich hätte sie am liebsten in meine Arme genommen und sie zart gestreichelt.
    Hesekiel richtete sich plötzlich auf, stellte sein eines Ohr auf und fing leise an zu knurren.
    Auch ich hörte das Brummen eines Motors im Wald.
    »Andrea, was immer auch geschieht, du bist nicht allein. Wenn mich die Polizei schnappt, kann ich es nicht ändern. Aber wenn du erfährst, daß ich tot bin, gleich auf welche Art es geschehen sein mag, dann melde dich in München beim Polizeipräsidium, sprich mit Kriminaloberinspektor Margreiter und erzähle ihm genau das, was ich dir erzählt habe. Wirst du das tun?«
    Sie nickte wieder, und plötzlich legte sie ihren Kopf an meine Schulter und weinte. Ich streichelte ihr sanft übers Haar.
    Da kam der erste Polizeiwagen aus dem Wald, ein zweiter folgte. Sie hielten dicht neben dem Ghia, kamen angerannt, vier Mann hoch mit gezogener Pistole, und einer schrie: »Hände hoch! Keine Bewegung! Stehenbleiben oder wir schießen!«
    Wobei festzustellen ist, daß ich noch immer saß, als sie ankamen. Sie schwitzten und hatten rote, wütende Gesichter.
    Ich stand langsam auf und hob meine Hände hoch. Sie kamen vorsichtig näher und vermuteten offenbar irgendeine Falle, aber schließlich waren sie da.
    »Gehen Sie weg, Fräulein.«
    Andrea blieb stehen.
    Ich spürte Hände an mir, die mich nach Waffen abtasteten.
    »Runter mit den Pfoten, Bürschchen, und her damit!«
    Sie legten mir Handschellen an, und in diesem Augenblick stürzte sich Hesekiel mit wütendem Geheul unter sie, biß sie links und rechts in die Beine. Sie waren verblüfft und vollführten einen Eiertanz um den rasenden Hund, bis ich ihn anrief.
    »Laß das, Hesekiel, sie tun nur ihre Pflicht!«
    Er setzte sich und schaute mich mit schrägem Kopf und heraushängender Zunge an.
    »Was wird aus ihm?« fragte ich einen der Polizisten.
    »Marsch«, sagte er und puffte mich mit der Faust diskret ins Kreuz. »Das geht dich einen Dreck an.«
    Ehe sie mich fortschleppten, konnte ich noch einen Blick auf Andrea werfen.
    Sie stand noch immer regungslos vor der Bank und starrte mich aus grauen, rätselhaften Augen an.
    Eine schreckliche Wut packte mich. Ein hübsches Gesicht und schöne Augen machen aus erwachsenen Männern kindische Vollidioten.
    »Bravo!« rief ich ihr zu. »Das war verdammt gut inszeniert! Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer halben Million!«
    Ein Faustschlag in den Nacken.
    »Halt’s Maul, du Dreckskerl, du miserabler!«
    Viele kleine Mädchen schauten neugierig hinter den Büschen hervor, mit roten Gesichtern und glänzenden Augen. Sie würden noch als Matronen ihren Enkelkindern erzählen, wie sie damals dabei waren, als ein leibhaftiger Mörder verhaftet worden war.

9

    Sie fuhren mich zum Rathaus am Marktplatz, zugleich Sitz der Polizei. Um den Brunnen standen geparkte Wagen, viele schon mit fremden Nummern. Die Vorsaison hatte begonnen.
    Sie hielten in der engen Gasse unmittelbar vor der Tür zur Polizeiwache, bildeten eine Art von Kette, durch die ich gehen mußte, und führten mich rechts durch eine Tür zur Kriminalabteilung.
    Ein enger Gang, zwei eiserne Zellentüren, eine weitere Tür, durch die sie mich stießen.
    Ein runder, gemütlicher Kriminalobermeister, sichtlich darüber erfreut, statt eines Autoknackers oder eines Taschendiebs endlich einmal etwas Richtiges zwischen die Wurstfinger zu bekommen.
    Er ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder, nachdem er mich aus väterlichen Augen eine Weile betrachtet hatte. Vor ihm lag jenes berüchtigte weiße Blatt mit dem roten Stempel

    HAFTSACHE

    Ich mußte mich vor seinen Schreibtisch setzen. Zwei Landpolizisten postierten sich links und rechts hinter mir. Der rundliche, väterliche Zivilist spannte feierlich einen Bogen in eine Schreibmaschine von 1812. Mit erheblichem Aufwand an Energie und lautem

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