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Die Blüte des Eukalyptus

Die Blüte des Eukalyptus

Titel: Die Blüte des Eukalyptus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Nicholls
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es nicht länger. Gefällt ihm meine Arbeit – oder hasst er die Wahrheit?
    Daniel durchlebte erneut sein künstlerisches Dilemma – wie die Unvollkommenheit der Kleinen wahrheitsgemäß wiedergeben und gleichzeitig das Herz des Vaters rühren? Victoria war das einzige Kind der Jonstones, das überlebt hatte. Auf dem Friedhof lagen drei tot geborene Söhne. Sie war blass, kränklich und hatte spindeldürre Beinchen. Die sanften blauen Augen waren das Schönste an ihr. Daniel hatte versucht, ihre Unschuld einzufangen, indem er sie zusammen mit einer persischen Katze porträtiert hatte. Trotzdem rang er bis heute mit seiner Entscheidung, Assoziationen mit einer kitschigen Pralinenschachtel um jeden Preis zu vermeiden. Würde Jonstones künstlerisches Urteil
stärker sein als sein väterlicher Stolz? Als der Master ihn endlich hereinwinkte, erstarrte Daniel.
    »Das Porträt, das du von diesem Burschen gemalt hast, war also kein Zufallstreffer. Meine Hochachtung, Browne. Du hast Victorias sanfte Seele eingefangen. Hände und Gesicht sind wunderbar. Die Katze ist so lebendig, dass man den Eindruck hat, sie könnte jeden Augenblick aus dem Bild springen. Ich bin sicher, dass das Porträt meiner Frau gefallen wird.«
    Daniel bedankte sich stammelnd.
    Jonstone strich sich nachdenklich über den Bart. »Ich werde dir etwas zahlen und dir darüber hinaus einen Gefallen erweisen. Wie wäre es beispielsweise mit einer angenehmeren Arbeit?«
    Daniel versuchte, den Mut aufzubringen, um ihn um etwas zu bitten, was ihm der Teufel in Person seit Monaten verweigerte. Falls es misslang, würde er wohl mit dem rechnen müssen, wovor er sich am meisten fürchtete: der Peitsche.
    Die Worte blieben ihm fast im Hals stecken, trotzdem zwang er sich, sie auszusprechen. »Wenn Sie das nächste Mal Post für Ironbark haben, würden Sie mich als Kurier schicken, Sir? Meine Verlobte lebt dort.«
    Daniel wusste nicht genau, ob das zutraf, aber in Sarannas mehrere Monate altem Brief stand, dass sie nach Ironbark wollte, also fügte er hastig hinzu: »Sie kam als Freie von zuhause, Sir. Eine junge Frau aus gutem Haus.«
    Jonstone zeigte sich überrascht. »Eine Dame? Wirklich, Daniel. Du überraschst mich immer wieder aufs Neue.« Er tauchte die Feder in das Tintenfass und begann, einen Brief zu schreiben.
    Er hatte Daniel nicht entlassen, sodass der nicht recht wusste, ob er gehen oder bleiben sollte. Die Zeiger der alten Pendeluhr bewegten sich so langsam, dass man hätte meinen können, sie wären gemalt. Schließlich drückte Jonstone ein Stück Löschpapier auf das Schreiben, faltete und versiegelte es mit rotem Wachs und dem Familienring und überreichte es ihm.
    »Dieses Dokument bedarf noch der Unterschrift von George
Hobson und dem jüdischen Anwalt Bloom. Ich will es nicht mit der königlichen Post Ihrer Majestät schicken, falls es Buschräubern in die Hände fällt. Reite hinüber zur Ironbark Farm. Und komm erst wieder, wenn die beiden unterschrieben haben.«
    »Sehr freundlich von Ihnen, Sir.« Daniel zögerte. »Aber was, wenn mich die Trooper anhalten?«
    »Du meinst einen Passierschein für Strafgefangene? Richtig. Für einen offiziellen haben wir keine Zeit, aber ich gebe dir ein persönliches Schreiben mit.« Jonstone hob eine Braue. »Ich vertraue darauf, dass du nicht bei der erstbesten Gelegenheit türmst, Browne!«
    »Sie können sich auf mich verlassen, Sir. Ich werde Sie nicht enttäuschen.«
    »Ja«, sagte Jonstone gedehnt. »Iago hat mir schon erzählt, wie fügsam du bist.«
    Daniel errötete bei dem Namen – für ihn war er Iago, für die Strafgefangenen der Teufel in Person. Daniel zog sich rückwärts zurück, als verließe er ein königliches Gemach. Er wusste noch nicht, wie viel er für Victoria Jonstones Porträt bekommen würde, aber er hatte für eine begrenzte Zeit seine Freiheit wiedererlangt und damit die Möglichkeit, Saranna aufzusuchen.
    Daniel hatte nicht oft Gelegenheiten gehabt, auf einem Pferd zu reiten, doch er ließ sich davon nicht nervös machen. Er lief zu den Stallungen, bat den Stallburschen, den Teufel in Person davon zu unterrichten, dass er für den Master unterwegs sei, und versprach ihm einen anständigen Priem, wenn er die Nachricht übermittelte. Vor Monaten bereits hatte Daniel sich darüber informiert, wie man am besten nach Ironbark kam, gleich nachdem er erfahren hatte, dass Saranna sich vielleicht dort aufhielt. Vorsichtig stieg er in den Sattel und machte sich auf den Weg, mit

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