Die Blüte des Eukalyptus
die Pistole zu ziehen.
»Du wirst sie nicht brauchen«, sagte sie fest. »Von Gem haben wir nichts zu befürchten.«
»Mag sein, aber was ist mit den anderen, seinen Kumpanen?«
Sie überquerten den schmalen Fluss an einer Stelle, an der ein paar Felsen einen kleinen Wasserfall bildeten. Am anderen Ufer untersuchte Jake die Äste eines Blutholzbaumes und erklärte, dass sie erst vor Kurzem abgebrochen worden waren; das rote Harz sickerte noch heraus. Nach einigen weiteren Metern durch den dichten Busch gelangten sie zu einer ovalförmigen Lichtung, die wie ein kleines Kricketfeld aussah.
Keziah war enttäuscht. Sie setzte Gabriel auf den Rasen und ließ ihn herumkrabbeln.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gem mich in die Irre führen würde«, sagte sie verzweifelt.
»Vielleicht hat er das auch nicht getan. Halt ein bisschen Abstand«, sagte Jake leise. »Du bist Gems Frau. Auch eine Freundschaft hat ihre Grenzen.«
Er ging einige Meter weiter vor und schnippte dann mit dem
Finger, um sie auf einen zitternden Teebaum aufmerksam zu machen. »Rühr dich nicht von der Stelle. Er hat dich nicht in die Irre geführt.«
Plötzlich trat ein wunderschöner Brumby-Colt aus dem Busch. Er war pechschwarz, temperamentvoll und hatte eine Blesse in Form eines Fragezeichens. Irgendwer hatte ihn an einem langen Seil angebunden, sodass er problemlos grasen und aus dem Fluss trinken konnte. Offenbar scheute er vor Menschen zurück. Keziah spürte, wie sich ihre Kehle angesichts seiner wilden Schönheit zusammenschnürte und ihr fast die Tränen kamen.
»Ich könnte ihn für dich zähmen, aber heute ist nicht genügend Zeit dafür«, sagte Jake.
Keziah schüttelte den Kopf. »Er ist ein Geschenk von Gem, und er erwartet, dass ich es selbst tue.«
»Nur zu.« Jake streckte sich an einer Stelle aus, wo Gabriel gefahrlos herumkrabbeln konnte.
»Lass ihn bloß nicht mit Schlangen spielen«, warnte Keziah.
»Ich kenne mich mit Kindern aus, verdammt noch mal. Immerhin hatte ich sieben kleine Brüder, auf die ich aufpassen musste.«
Keziah lächelte, als sie beobachtete, wie er Gabriel mit Brombeeren fütterte. Und sie war stolz auf das große Herz ihres Sohnes, der Jake ebenfalls Beeren in den Mund steckte, um sie mit ihm zu teilen.
Es war so weit. Sie verließ die beiden und ging ruhig über den Fluss auf die andere Seite des Ufers, wo sie sich mit gekreuzten Beinen in Reichweite des jungen Hengstes setzte. So blieb sie ganz still sitzen und wartete, bis das Tier seine Angst überwand und sich ihr näherte.
Ich warte auf dich, mein Brumby – so wie ich auf dich warte, Gem. Ganz gleich, wie lange .
Den ganzen Nachmittag über saß Jake da und beobachtete Keziah und das junge Pferd. Ihre Geduld und die Art der Roma, Pferde zuzureiten, waren beeindruckend. Er hatte gesehen, wie
beruhigend sie auf Pferde wirkte, aber ein Wildpferd war etwas anderes. Sie legte sich einen Klumpen Zucker in die Achselhöhle und gab ihn dann dem Pferd, um es mit ihrem Geruch vertraut zu machen. Es grenzte an Zauberei, aber nach und nach wurde der Brumby-Colt so zutraulich, dass Keziah ihn streicheln und ihm Geheimnisse ins Ohr flüstern konnte.
Verlegen bemerkte Jake, dass er einen Kloß im Hals hatte. Es war, als sähe er zu, wie zwei Geschöpfe sich ineinander verliebten. Das Wildpferd stand für Gem, das war ihm klar.
Gabriel war mit einem brombeersaftverschmierten Mündchen in Jakes Armbeuge eingeschlafen. Jake nahm den Hut ab, um den Kleinen vor der Sonne zu schützen, während er Keziah weiterhin beobachtete. Sie besaß ein geradezu magisches Gefühl für den richtigen Zeitpunkt, fast so, als könnte sie die Gedanken des Tieres lesen.
Jake spürte es, als der Augenblick gekommen war. Keziah hob ihren langen Rock und schwang sich mühelos auf den Rücken. Als sie um die Lichtung ritt, sah Jake den Stolz in ihren Augen und in ihrem erhobenen Haupt.
»Ungelogen, Kez. Du hast wirklich ein Händchen für Pferde.«
»Mein Vater hat es mir beigebracht.«
Nachdem das Wildpferd sie zum dritten Mal um die Lichtung getragen hatte, belohnte Keziah es mit wilden Äpfeln. Danach stieg sie ab, band es vorsichtig wieder an und lief zum Fluss, um sich die Hände zu waschen.
»Du musst ja völlig verhungert sein, was? Ich habe die Zeit vergessen«, entschuldigte sie sich.
Dann packte sie ihr wunderbares Essen aus, nahm ein Taschentuch, um Gabriel Gesicht und Hände abzuwischen, und schnitt das Obst für ihn klein. Nachdem beide versorgt waren,
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