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Die Blueten der Freiheit

Die Blueten der Freiheit

Titel: Die Blueten der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Anthony
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schlug weiter auf mich ein. »Wenn du uns nicht so viele Silbermünzen einbringen würdest, würde ich dich auf der Stelle umbringen, damit du mir nicht mehr zur Last fällst.«
    Warum sah er nicht, dass ich bereits aufgegeben hatte? Dass ich ihm nichts tun würde?
    » Cher argent, all das wunderbare Geld, das du uns einbringst!«
    Ich reckte meinen Hals nach vorne, so dass er meine Kehle sehen konnte. Vielleicht würde er mich dieses Mal töten. Ich hätte gerne auf das Feuer und die Nickerchen und die Sahne verzichtet, wenn er mich bloß erlöst hätte.
    Aber er schlug bloß weiter auf mich ein, und die Rute traf jede noch so verborgene Stelle.
    Während ich dort im Schmutz lag, starrte ich zum Himmel hinauf. Ich dachte an die Vögel. Ich dachte an die Eichhörnchen, die zurückkommen würden, sobald es wärmer wurde. Sie würden über das Dach des Hauses hüpfen und Dinge zwischen ihren Zähnen von hier fortragen. Vielleicht konnten sie eines Tages auch mich forttragen.

    Ich wachte auf.
    Ich befand mich wieder in meiner Kiste.
    Ich zitterte, obwohl mir heiß war.
    Ich schnüffelte. Die Luft fühlte sich kalt an.
    Wenn die Luft kalt war, dann war wohl ich es, der sich heiß anfühlte.
    Mir war heiß, und mein Körper schmerzte.
    Mein ganzer Körper schmerzte.
    Ich versuchte zu winseln, doch ich gab schnell auf. Stattdessen versuchte ich, meine Zunge zu bewegen. Ich versuchte, meine Wunden zu lecken, doch meine Zunge gehorchte mir nicht. Sie war nicht feucht genug. Und selbst wenn – mein Fell war so verklebt, dass ich nicht an die Wunden herankam. Und so kaute ich auf den Nestern herum. Ich riss mir ruckartig das Fell vom Leib. Dann drehte ich mich auf den Bauch, legte den Kopf auf meine Pfoten und wartete.
    Ich weiß nicht, wie lange ich gewartet hatte. Als ich schließlich hörte, wie mein Herr zurückkam, war ich kaum fähig, meinen Kopf zu heben. Ich hatte keine Kraft mehr. Er öffnete die Kiste und drehte sie zur Seite, so dass ich auf meinen Kopf fiel.
    Ich war zu müde und hatte zu große Schmerzen, um mich dagegen zu wehren.
    Ich lag draußen vor der Kiste im Tageslicht, und nach einiger Zeit konnte ich wieder sehen. Auch wenn meine Augen nicht so gut funktionierten wie sonst.
    Mein Herr beugte sich über mich und betrachtete mich genauer. Er streckte einen Finger aus und fuhr mir damit ins Auge. » Emmerdeur! Ich hätte besser aufpassen sollen. Du kannst doch nicht mehr für mich laufen, wenn du nichts mehr siehst.«
    Ich wünschte, ich hätte mehr gesehen. Wenn ich mehr Kraft gehabt hätte, wenn ich besser gesehen hätte, dann hätte ich ihm in die Nase gebissen und sie aus seinem Gesicht gerissen.
    Er leerte einen Eimer Wasser über mir aus.
    Ich streckte die Zunge heraus, um es aufzulecken.
    »Hör auf! Das Wasser ist zum Waschen da und nicht, um es zu trinken!« Er leerte drei weitere Eimer über mir aus und schmierte mir etwas mit einem kleinen Stock in die Augen, bevor er mich wieder in die Kiste zurückverfrachtete.
    Dort herrschte Ruhe und Frieden.
    Ich wusste, dass ich, wenn ich es bloß schaffte zu überleben, irgendwann wieder frei sein würde. Und dann würde ich durch den Wald zurück zu meinem guten Herrn laufen. Und dieses Mal würde ich versuchen, so gut zu sein, dass er mich niemals wieder fortschickte.

Kapitel 5
    Lisette Lefort
    Château Souboscq
Provinz Gascogne, Frankreich
    I ch hatte wieder von ihr geträumt. Von dieser einzigartigen, wunderschönen Spitze. Ich bewunderte die peinlich genau eingehaltene und makellose Regelmäßigkeit des Musters und diese herrlichen, immer wiederkehrenden Rosen. Meine Finger sehnten sich danach, den glänzenden Stoff zu berühren. Ach, wie sehr ich diese aufwendig gefalteten Armstulpen bewunderte. Sie erinnerten mich an Maman, und ich wollte sie für mich haben.
    Ich wollte Maman wiederhaben.
    Sie hatte ebenfalls Armstulpen aus Spitze getragen. Sie waren nicht so aufwendig gewesen, man hatte kaum eine Rüsche gesehen. Doch der Anblick dieser Stulpen erinnerte mich an ihre kühlen, sanften Berührungen und daran, wie ihre Hände immer im Rhythmus ihrer Worte zu tanzen schienen.
    Doch Mamans Hände lagen still seit dem Tag, an dem sie an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben war. Und ihre Armstulpen waren mit ihr begraben worden. Nun lebte sie nur noch in meinen Träumen.
    Solch süße, wenn auch vergängliche Träume.
    Ich sah zu, wie mein anderes Ich, die siebenjährige Lisette, das Schlafgemach unseres Gastes betrat und auf Zehenspitzen

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