Die Blueten der Freiheit
ausseht. Es kümmert ihn nicht, was Ihr getan habt oder was Ihr nicht tun könnt. Ihr als Person seid ihm wichtig, alles andere spielt keine Rolle.«
»Das Kind ist ihm wichtig, alles andere spielt keine Rolle. Selbst ich spiele dabei keine Rolle.« Sie warf mir einen resignierten, aber auch mitleidsvollen Blick zu. Als wäre ich zu bäuerlich, um zu verstehen, dass sie recht hatte. »Solange ich nur einen Jungen zur Welt bringe, ist alles in Ordnung.«
Kapitel 20
Der Graf von Montreau
Château Eronville
Provinz Orléanais, Frankreich
D ie beiden Mädchen verbrachten ihre Tage damit, über alles Mögliche zu schnattern. Wenn das Wetter schön war, saßen sie gemeinsam im Garten und genossen die wärmende Herbstsonne.
»Sie wirken wie Schwestern«, sagte Remy, als er neben mich ans Fenster trat, von dem aus ich die beiden beobachtete. Er hielt ein Glas Branntwein in der Hand. Er war ausnahmsweise gerade einmal nicht auf der Jagd oder mit seinen Falken unterwegs oder auf einem seiner Ausritte durch diese gottverlassene Gegend. Tatsächlich fragte ich mich, warum nicht. Er wusste doch, dass ich seinem Drängen nicht nachgeben konnte. Der Einlauf des Arztes hatte keine Wirkung gezeigt.
Ich nahm ihm den Branntwein ab und sah ihm in die Augen.
Er wich meinem Blick aus.
»Gabrielle kommt sogar mit meinem Vater zurecht.«
»Aber ist es nicht genau das, was du wolltest? Wolltest du denn nicht die Marquise zufriedenstellen, um deinen Vater zu besänftigen?«
»Ja.« Aber mein Vater war ein dickköpfiger Bastard, der in letzter Zeit keine Gelegenheit ausgelassen hatte, mich daran zu erinnern, dass er mich enterben wollte.
Der Wind trug ihr Lachen zu uns hoch, so dass wir es durch das Fensterglas hindurch hören konnten.
»Dein Plan wird wohl bald seine Wirkung zeigen.«
Aber nicht bald genug! Wenn ich meinen Vater nicht überzeugen konnte, bevor das Kind zur Welt kam, dann war alles verloren. Es sei denn … es wäre ein Mädchen.
Remy betrachtete mich. »Was ist?«
»Wenn das Kind ein Mädchen wäre …«
Er erhob sein Glas zu meinen Ehren. »Dann würde das die Pläne deines Vaters zunichtemachen.«
»Genau.« Wenn meine Stiefmutter tatsächlich ein Mädchen zur Welt brachte, dann wäre die Lage doch nicht so düster, wie sie momentan erschien. Mein Vater konnte keine Annullierung riskieren, bevor er nicht sicher war, dass er einen männlichen Erben hatte. Aber war er sich sicher? Wie konnte man sich diesbezüglich sicher sein?
Ich warf einen weiteren Blick auf Lisette von Souboscq. Sie war keine schlechte Partie. Sie redete nicht viel, und die meiste Zeit bemerkte man sie gar nicht. Wenn mein Vater glaubte, dass ich mich tatsächlich geändert hatte, dann wäre er vielleicht nicht mehr so erpicht darauf, seine Pläne in die Tat umzusetzen.
Mein Vater griff nach meinem Arm, als ich nach dem Abendessen die Halle verlassen wollte. Ich bot ihm meinen Arm an, als hätte ich genau das vorgehabt, und sah, wie Remy die Treppe hinauf verschwand. Ich hoffte bloß, dass er nicht genau das wollte, was er immer wollte. Ich zuckte zusammen, als ich an ein weiteres enttäuschendes Zusammentreffen dachte. Ich half dem Marquis hoch und ging schließlich neben ihm her. Früher hatte er mich mühelos abgehängt. Nun ging er um die Hälfte langsamer als ich. Er schob es auf seine Kriegsverletzungen, doch ich konnte mir vorstellen, dass sie nur eine Ausrede für sein fortschreitendes Alter waren.
»Wir müssen uns unterhalten. Alleine.«
Nun gut. Das war zumindest etwas. Er schaffte es kaum, mir in die Augen zu sehen. Ich hätte nie zu hoffen gewagt, dass er sich tatsächlich mit mir unterhalten wollte. Ich half ihm die Treppe hoch und begleitete ihn in sein Schlafgemach. Ich lehnte mich an den Kaminsims, während der Diener eine Kerze entzündete und sich der Marquis in seinem Stuhl niederließ. Der Dolch auf dem Kaminsims schien mir mit all seinen im Kerzenlicht glänzenden, farbenfrohen Juwelen zuzuzwinkern.
»Ich hoffe, du hast mich damals richtig verstanden, Julien. Als wir über die Annullierung gesprochen haben.«
Ich versuchte zu lächeln. »Ich habe verstanden, dass Ihr nichts mehr mit mir zu tun haben wollt.«
Er seufzte schwer, und es klang müde. Er war ein alter und gebrechlicher Mann geworden. »Nichts könnte der Wahrheit weniger entsprechen. Ich wünschte bloß, dass …«
Ich starrte ihn an. Ich wollte, dass er endlich aussprach, was wir beide wussten.
»Ich wünschte bloß, ich hätte deine
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