Die Blueten der Freiheit
danke Euch, meine Liebe, dass Ihr den Träumereien eines alten Mannes so lange Gehör geschenkt habt. Also, warum seid Ihr zu mir gekommen?«
Warum war ich zu ihm gekommen? Ich war gekommen, um einen Mann zu retten, der genauso alt und müde war wie der Marquis. Ich war gekommen, um das zu retten, was von meiner Familie noch übrig war. Der Marquis hatte von Ehrenmännern erzählt. Vielleicht würde er einer Bitte nachkommen, bei der es genau darum ging. »Tatsächlich wollte ich mit Euch über Euren Sohn sprechen. Die bevorstehende Geburt Eures Kindes scheint ihn zu beunruhigen.«
»Mein Sohn. Julien hat mich schon so oft enttäuscht. Ich weiß nicht, ob ich noch eine Enttäuschung überleben würde. Ihr wisst, was mit ihm los ist, nicht wahr?«
Ich zögerte einen Moment, dann nickte ich. Ich konnte einen Mann, der mir gerade seine Seele ausgeschüttet hatte, nicht anlügen.
»Ich habe ihn zu lange mit seiner Mutter alleine gelassen. Sie war so ein hübsches Mädchen … aber sie wollte mich bestrafen.« Seine Stimme verlor sich, doch dann zwinkerte er und schien wieder zu dem Gespräch zurückzufinden. »Am Anfang hat sie mir mehr als verständlich gemacht, welche Gefühle sie für mich hegte. Ich dachte … sie hat sich mir praktisch an den Hals geworfen. Aber warum hat sie mich dann dafür gehasst, dass ich … nun …« Er richtete seinen Blick auf das Feuer, und ich konnte großes Bedauern darin erkennen.
Ich zitterte, obwohl ich so nahe am Kamin stand.
»Julien braucht unbedingt jemanden, der ihn erlöst. Ich dachte einst, ich könnte es … Aber vielleicht – glaubt Ihr, dass Ihr es könnt? Könnt Ihr ihn vor sich selbst retten?«
»Ich …« Ich wollte ihn nicht enttäuschen, doch ich wollte ihm auch nichts versprechen, das ich nicht halten konnte. »Ich weiß es nicht.«
Er griff nach meiner Hand. »Ihr könnt es. Ihr müsst es einfach. Er verachtet alles, was recht und gerecht ist, und doch habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ihr versteht, warum ich einen neuen Erben brauche. Einen wirklichen Erben. Aber ich werde meinen Sohn nicht verstoßen. Ich werde für ihn vorsorgen. Wenn Ihr bei ihm bleibt, dann werde ich dafür sorgen, dass es Euch beiden an nichts fehlt. Bitte … Ihr könntet seine Rettung sein.«
Wenn er es sich nur nicht zur Aufgabe gemacht hätte, mein Leben zu zerstören! Es gab nichts mehr zu sagen. Ich hatte getan, was der Graf von mir verlangt hatte. Ich machte einen Knicks. »Mein Herr, ich danke Euch für Eure Güte.«
»Ihr werdet doch darüber nachdenken, nicht wahr?«
Ich kehrte in mein Schlafgemach zurück, wo mir ein Dienstmädchen aus dem Korsett und dem Kleid half. Sie hatte mir gerade mein Nachthemd angelegt, als die Tür geöffnet wurde. Erschrocken schlang ich die Arme um den Körper.
Es war der Graf. Er stolzierte in den Raum, ließ sich auf einem Stuhl neben dem Tisch nieder, auf dem mein Spiegel lag, und stützte das Kinn auf seine Hände. »Du warst nicht sehr lange bei ihm. Was ist passiert?« Sein Blick ruhte auf meinem Gesicht.
Ich wich seinem Blick aus und spürte, wie ich rot wurde. »Ich …«
»Ja?«
Wofür schämte ich mich? Ich hatte nichts Falsches getan. Ich hob mein Kinn an und atmete tief ein. »Ich musste nichts von dem tun, was Ihr von mir verlangt habt. Er hatte bereits vor, für Euch vorzusorgen.« Vielleicht würde er mich nun endlich in Frieden lassen!
»Vorsorgen! Ich will nicht, dass er für mich vorsorgt . Bevor er die Absprache mit dem Kardinal getroffen hat, hätte das vielleicht ausgereicht, doch nun will ich seinen gesamten Besitz!« Er wischte mit der Faust über den Tisch, so dass der Spiegel und eine Haarbürste zu Boden fielen. »Ich will alles! Ich will, dass alle Welt weiß, dass ich sein Sohn bin. Wenn er schon nicht stolz auf mich ist, dann muss er mich wenigstens als seinen Sohn anerkennen.« Er knurrte das Dienstmädchen an, das augenblicklich den Raum verließ. Dann kam er auf mich zu. Seine dunklen, hartherzigen Augen reflektierten keinen einzigen Lichtstrahl. »Ich will alles, und ich werde es auch bekommen. Du musst jetzt sofort noch einmal zu ihm gehen und sicherstellen, dass ich es auch bekomme.«
Ich trat einen Schritt rückwärts auf die Tür zu. »Das kann ich nicht.«
»Es kümmert mich nicht, was du kannst oder nicht kannst. Du musst. «
»Er denkt, dass ich … dass ich Euch retten kann. Er denkt, dass Ihr Interesse an mir habt. Und er möchte so gerne daran glauben …«
»Jaja, das
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