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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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vormals hellblauen Wände schwarz und rot gestrichen werden mussten. Auch Gernot ließ das Kind in Ruhe, er zeigte ohnehin viel mehr Gelassenheit in diesen Dingen. Er habe im Knast einiges gesehen und gehört, sagte er, wenn die Situation mal wieder zu eskalieren drohte, dagegen wirke der Spuk im Hause Vanmeer wie ein Kinderkarussell neben der Geisterbahn.
    «Was ist los?», fragte Esther ihre sich nähernde Tochter, doch Griet fuhr über den Trampelpfad am Haus vorbei inden Garten, ohne ihre Mutter oder die Schmiererei zu beachten. Esther folgte ihr und konnte ihre Tochter gerade noch abfangen, bevor sie mit der Stofftasche unter dem Arm durch die Hintertür ins Hausinnere schlüpfte. Sie bekam einen Zipfel vom Umhang zu fassen. «Was ist denn los?», versuchte sie es noch einmal.
    Griet verzog lediglich den Mund und blickte trotzig in die entgegengesetzte Richtung.
    «Die Lateinarbeit? Hat deine Prüfungsangst mal wieder zugeschlagen?» Griet war Klassenbeste, eigentlich hatte sie keinen Grund, derart angespannt zu sein. Was wirklich hinter diesem Problem lag? Das hätte Esther zu gern gewusst, aber ihre Tochter schottete sich neuerdings noch mehr ab. «Komm schon, das ist doch nicht so schlimm. Wir versuchen es mal mit
Genzian-
Essenzen, vielleicht kriegen wir es damit besser in den Griff.»
    Nun traf Griets Blick sie wie ein Pfeil. «Erstens: Latein ist ausgefallen. Und zweitens: Der Grund dafür lässt sich mit keinem deiner beschissenen Heile-heile-Welt-Blümchen in den Griff kriegen.»
    Immer öfter erschreckte Esther sich, wenn ihre Tochter so schaute und so sprach. Griet hatte sich verändert in letzter Zeit. Sie war zu einem bockigen und verschlossenen Mädchen geworden. Lag das wirklich nur an der Pubertät?
    «Ich hatte heute den abgefucktesten Tag meines Lebens. Ich gehe nicht mehr aufs Ulrichsgymnasium, überhaupt in ganz Norden nicht. Ich gehe nie mehr zur Schule! Mama, schick mich meinetwegen auf ein Internat für Schwererziehbare. Aber ich will mit dem ganzen Mist hier nichts mehr zu tun haben!» Sie riss sich los und stampfte mit den schweren Stiefeln ins Haus. Jeder, der sie beide hier beobachtete, würde denken, dass die Idee mit dem Internat vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Es musste aussehen, als hätte Estherihre dreizehnjährige Tochter nicht mehr im Griff. Vielleicht war es auch tatsächlich so. Immerhin musste sie Griet wie eine Bittstellerin hinterherlaufen, damit sie erfuhr, weshalb ihre Tochter verheult aus der Schule kam.
    Griet hatte ihre Stiefel von den Füßen gestreift und achtlos im Flur liegenlassen. Ihre Schritte waren bereits auf den obersten Treppenstufen zu hören.
    «Du bleibst jetzt mal stehen!», rief Esther, obwohl ihr dieser autoritäre Ton nur widerwillig über die Lippen kam. Tatsächlich wurde das Gepolter langsamer. Schnell setzte Esther hinterher: «Ist es wegen Gernot? Haben sie dich wieder   …»
    «Jein.» Griets Antwort war ungewöhnlich. Normalerweise gab es von ihr klare Widerworte oder manchmal auch eindeutige Zustimmung. Dass ein Jein im Sprachschatz ihrer Tochter vorhanden war, hatte Esther bislang nicht gewusst.
    Erwartungsvoll schaute sie die Treppe hinauf. Griet hatte sich auf die oberste Stufe gesetzt und die Beine angewinkelt, sodass das ausgefranste Loch in ihrer graugestreiften Wollstrumpfhose erst richtig zur Geltung kam. Ihren Kopf hatte sie in die Hände gestützt. Ein wenig erinnerte der Anblick an das kleine Mädchen, das Griet einmal gewesen war, ein bisschen wild und ein bisschen scheu. Esther setzte sich auf die unterste Stufe. «Was heißt Jein?»
    «Es hat etwas mit Gernot zu tun – und irgendwie auch nicht. Glaube ich jedenfalls.»
    «Sei mir nicht böse, aber   …»
    «Mama, wenn du wieder mit diesem Schleimgelaber anfängst, dann gehe ich auf mein Zimmer und komme nie wieder raus. Mich kotzt das so an!»
    «Ist ja gut, ist ja gut.»
    «Gar nichts ist gut. Die Alli, also die Allegra Sendhorst aus meiner Klasse   … Kennst du sie?»
    Was für eine Frage. Esther kannte niemanden aus GrietsKlasse. Ihre Tochter war schon immer eine Einzelgängerin gewesen. Und wenn sie überhaupt mal etwas aus dem Schulalltag erzählte, so drehte es sich um die Lehrer oder die Inhalte des Unterrichts. «Was ist mit ihr?»
    «Du hast es also noch nicht gehört? Sind sie noch nicht bei dir eingefallen? Hat niemand versucht, Gernot mit der Mistgabel aus dem Haus zu holen?»
    «Nein, warum? Höchstens die Schmiererei am   …»
    «Also, heute Morgen

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