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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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erst in einigen Wochen wieder neuen Appetit verspüren. Aber bis dahin würde Esther sie schon längst in irgendeinem Graben oder Teich ausgesetzt haben.
    «Wenn Sie ein paar Jahre jünger wären, würde ich Ihnen einen Lolli schenken, weil Sie so tapfer gewesen sind.»
    Oltmanns zog sich die Hose an. «Wissen Sie, bevor ich jeden Tag auf geschwollenen Füßen stehen oder ein kleines Pillenarsenal verputzen muss, lasse ich lieber ab und zu mal zwei Mini-Vampire ihren Durst löschen.» Mit lässiger Handbewegung fischte er einen Zwanzigeuroschein aus der Hose und legte ihn neben das Glas mit den Blutegeln. «Sonst bin ich übrigens längst nicht immer so mutig. Meine Frau sagt immer, ich sei ängstlicher als unser Enkelsohn, wenn es um Gespenster und Gruselgeschichten geht.» Er grinste schüchtern. «Jetzt halten Sie mich sicher für ein Weichei.»
    «Wir haben alle unsere Ängste   …» Esther Vanmeer nahm auf ihrem Beratungsstuhl Platz und fischte ein dickes grünes Buch aus dem Regal hinter sich. «Aber wenn Sie wollen, können wir es gegen Ihre Angst ja mal mit Bachblüten probieren. Fürchten Sie sich im Dunkeln?»
    Fast erstaunt nickte der Mann.
    «Aber es sind keine konkreten Dinge, vor denen Sie sich gruseln?»
    «Genau.»
    «Ich könnte mir vorstellen, dass wir mit
Aspen
Ihre Ängste in den Griff bekommen.»
    In einem Holzkasten suchte sie nach der passenden Flasche und reichte sie ihrem Patienten. Dann fasste sie nachder anderen Männerhand und ließ ihr goldenes Pendel sprechen.
    «Was machen Sie da?»
    «Bei der Bachblütentherapie geht man davon aus, dass jedem Unwohlsein eine seelische Gleichgewichtsstörung vorausgeht und dass die Harmonisierung von Gefühlen und Gedanken eine Heilung bewirken kann. Es gibt insgesamt achtunddreißig Bachblüten, die jede einer bestimmten Stimmung oder Charaktereigenschaft zugeordnet ist. Mit diesem Pendel finde ich heraus, ob die Essenz der Zitterpappel – im englischen
Aspen
genannt – Ihnen helfen könnte, wieder in einen Zustand innerer Ausgeglichenheit zu kommen.»
    «Sie meinen, ich könnte mir dann mit meiner Familie auch so schreckliche Dinge wie Harry-Potter-Verfilmungen anschauen?»
    Esther musste schmunzeln. Oltmanns war ein netter Kerl und einer der wenigen Patienten, die ihr treu geblieben waren, seit Gernot hier lebte.
    Das Pendel fiel in eine kleine Kreisbewegung. Gegen den Uhrzeigersinn drehte es seine Runden, die immer breiter wurden. «Sieht so aus, als hätten wir hier einen Volltreffer gelandet. Ich mache Ihnen eine Flasche fertig, dann nehmen Sie viermal täglich vier Tropfen, und in ein paar Wochen können Sie sich sogar ‹Der weiße Hai› Teil eins bis hundert anschauen und danach in der Nordsee baden gehen.»
    «Das wäre ja mal was», sagte Oltmanns, doch ihm war anzusehen, dass er der Sache nicht so recht traute.
    Esther kannte das. Die Behandlung mit Blutegeln war etwas anderes. Es tat ein bisschen weh, es blutete, es war biochemisch zu erklären. Aber Bachblüten erschienen den meisten Menschen wie der reinste Hokuspokus. Bis sie dann tatsächlich wie durch Zauberei von ihren Problemen befreitwurden. Kleine Kinder gewöhnten sich das Daumennuckeln ab, Schülern fiel es leichter, sich zu konzentrieren, Frauen kamen besser mit den Regelbeschwerden zurecht, und Männer kauten nicht mehr an den Nägeln. Ihr Kundenstamm war groß gewesen. Und die meisten von Esthers Blüten-Patienten waren immer wieder gekommen. Bis vor einem dreiviertel Jahr jedenfalls.
    Esther füllte den Blütenextrakt mit der passenden Menge Hochprozentigem in eine braune Flasche, beschriftete ein Etikett und klebte es auf das Glas. «So, da hätten wir Ihren speziellen Flachmann. Sie dürfen die Tropfen nicht mit Metall in Berührung bringen, das würde die Schwingungen kaputt machen. Ich empfehle einen Plastiklöffel oder das Träufeln direkt auf die Zunge.»
    «Wenn meine Frau erfährt, dass ich mich wegen meiner Geisterphobie habe auspendeln lassen, dann kriegt sie einen Lachanfall», sagte Oltmanns und ließ das Fläschchen in seiner Jacke verschwinden. «Was bin ich Ihnen schuldig?»
    Esther machte eine abwehrende Geste, ging zur Tür und hielt sie für ihren Patienten geöffnet. «Das ist reine Kundenbindung. Wenn es hilft, dann erzählen Sie es weiter, und zwar nicht nur Ihrer Frau. Bachblüten liegen mir am Herzen, müssen Sie wissen. Ich glaube, mit ein bisschen mehr Sensibilität unseren Energieschwingungen gegenüber ginge es uns allen wesentlich besser. Sie

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