Die Blume von Surinam
die kleine Karini hat einen blanken zum Freund … na komm, den lässt du doch bestimmt auch ran.« Julius machte keine Anstalten, Karini loszulassen, sondern versuchte, sie hinter sich herzuschleifen, fort vom Haus. Karini trat ihm mit aller Kraft gegen das Schienbein. Julius zuckte zusammen und ließ los. Karini sprang sofort beiseite.
»Komm hierher, zu mir.« Masra Henry zog sie hinter sich und baute sich vor Julius auf. Der war aber trotzdem fast einen Kopf größer.
»Was ist … willst du die Kleine ganz für dich allein?« Julius torkelte auf die beiden zu. »Gib deinem schwarzen Freund doch mal was ab …«
Masra Henry ballte die Fäuste und wirkte entschlossen, als er einen Schritt auf Julius zutrat.
»Komm, Weißnase … komm.« Auch Julius ballte die Fäuste und machte einen ungelenken Hüpfer.
Masra Henry überlegte nicht lange und verpasste Julius einen Hieb ins Gesicht. Ehe Karini sich versah, waren die beiden jungen Männer zu einem Knäuel auf dem Boden verschmolzen.
Für Karini sah es nicht so aus, als ob Masra Henry gegen seinen größeren Gegner eine Chance hätte. Hektisch überlegte sie, was sie tun konnte. Als Julius, mit dem Rücken zu ihr, auf die Knie gelangte, während er versuchte, Masra Henry am Boden zu halten, holte sie einfach mit dem rechten Bein Schwung und trat ihm mit dem Fuß zwischen die Beine. Sie wusste, dass Jungen dort sehr empfindlich waren …
Der Tritt verfehlte seine Wirkung nicht. Julius sackte stöhnend zusammen, und Masra Henry war frei. Er sprang auf, packte Karini am Arm, schob sie hastig durch die Hofpforte und verriegelte das Tor von innen. Schwer atmend, die Hände auf die Knie gestützt, blieb er vornübergebeugt stehen.
»Wer war denn das?«, keuchte er, als er sich aufrichtete.
»Ich … du blutest ja.« Karini tupfte Masra Henry vorsichtig mit einem Zipfel ihrer Schürze die Spuren des Kampfes aus dem Gesicht.
»Du gehst ab heute nicht mehr allein vor die Tür, wenn es dunkel ist.« Sein Tonfall war ungewohnt streng. Dann aber grinste er sie spitzbübisch an. »Da habe ich dich wohl gerettet.«
Karini hielt einen Moment mit der Hand an Masra Henrys Gesicht inne. Ja, er hatte sie gerettet. »Danke.«
Plötzlich erschien vor ihrem inneren Auge das Bild von Masra Martin. Auch mit ihm hatte sie vor einigen Monaten hier hinter diesem Tor gestanden, in einer ähnlichen Situation. Und mit genau demselben Blick, den Masra Martin damals gehabt hatte, sah Masra Henry sie gerade an.
Karini trat einen Schritt zurück. »Ich … ich glaube, wir sollten noch das Kleid holen. Misi Gesine wird … böse sein.«
»Sag einfach, dich hätte fast eine Droschke überfahren … du hättest es fallen gelassen vor Schreck«, sagte Masra Henry leise, streckte kurz die Hand nach ihr aus, ließ den Arm dann aber wieder sinken. Er drehte sich zum Tor und schaute durch einen Spalt zwischen den Brettern. »Der Kerl ist fort.«
Karini nickte und hoffte inständig, dass sie ihn so schnell nicht wiedersehen würde.
Kapitel 18
W im war gemeinsam mit Jean auf dem Weg zu Thijs, um die weitere Planung für die Zuckermühle zu besprechen. Wim und Thijs waren nun seit gut zwei Wochen in Surinam, und Jeans Interesse an Thijs’ Plänen war unvermindert groß. Wim verstand noch nicht genug von der Plantagenwirtschaft, aber dass ein solches Vorhaben, so es denn umgesetzt werden konnte, für die Plantage Rozenburg zu einem lohnenden Geschäft werden könnte, war ihm bewusst. Er genoss den kühlenden Wind der Kutschfahrt und atmete tief die süßlich tropische Meeresbrise ein. Er war froh, seiner Frau einige Stunden entkommen zu können.
Gesine langweilte sich im Stadthaus. Wider Erwarten gab es in der Kolonie nicht so viel zu erleben, wie sie gehofft hatte. Keine rauschenden Bälle, keine prunkvollen Feste, keine wirklich standesgemäße Gesellschaft, in die sie sich einbringen konnte. Sie war aus Neugier einigen der Einladungen gefolgt, die nach ihrer Ankunft im Haus eingetroffen waren. Aber wirklich befriedigend waren diese Teestunden bei überwiegend älteren Damen für Gesine nicht gewesen. Daheim in den Niederlanden hatte sie fast jeden Tag mit anderen jungen Damen die Teekultur gepflegt, sich stundenlang unterhalten, und es war kaum ein Freitagabend vergangen, an dem sie nicht zum Tanz geladen gewesen waren. Wim war dies nicht immer recht gewesen. Im Gegensatz zu Gesine mochte er diese gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht. Hier aber fehlte seiner Frau diese
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