Die Blume von Surinam
hatte überlegt, schon von den Niederlanden aus eine Klage einzureichen, das Vorhaben angesichts der liberalen Obrigkeit aber verworfen. Er hatte entschieden, sich zu gedulden und von Surinam aus zu handeln. Pieter musste fast lachen. Nie im Leben hatte er gedacht, schon auf der Schiffsreise den Grundstein für seine Pläne legen zu können. Jetzt wusste er, was er tun würde. Die Pläne, die der in seinen Augen naive Thijs Marwijk hier verwirklichen wollte, waren verlockend. Er selbst würde nichts überstürzen müssen, sondern einfach andere für sich arbeiten lassen. Wenn die moderne Mühlenanlage auf Marwijks Plantage erst einmal ihren Betrieb aufgenommen hatte, würden alle Plantagen in der Umgebung ihr Zuckerrohr auf Watervreede verarbeiten lassen müssen. Auch Rozenburg, die Plantage lag schließlich in direkter Nachbarschaft. Einen kleinen Haken hatte die Sache allerdings … bisher wusste niemand, wie es wirklich um Watervreede gestellt war. Wenn der Regenwald die Plantage zurückerobert hatte, stand zunächst viel schweißtreibende Arbeit an. Aber Marwijk war abenteuerlustig und hoch motiviert. Sollte er sich doch erst einmal dort durch das Unkraut wühlen, Pieter selbst würde bequem nachkommen, wenn die Plantage wieder bewohnbar war und man mit dem Bau der Mühle beginnen konnte. Pieter brauchte sich also nur bei Marwijk einzubringen, um auf Watervreede die Direktion zu übernehmen. Dieser Grünschnabel hatte in seinen Augen gar keine andere Wahl. Pieter hatte es ihm nach dem Abendessen bereitsfreimütig angeboten – und Marwijk war dankbar darauf eingegangen. Pieter schmunzelte. Er war völlig mittellos nach Surinam aufgebrochen, hatte sein letztes Geld in die Reise investiert und sich im Vorfeld mehr als einmal Gedanken darüber gemacht, wie er hier zu Geld kommen konnte. Und jetzt war er schneller als gedacht sogar an einen Direktionsposten auf einer Plantage gelangt! Letztendlich würde ihn dieser Weg an sein Ziel führen.
Mit der alten Mühlentechnik würde man auf Rozenburg nicht mehr gegen die neuen Verarbeitungswege der Konkurrenz ankommen, also müsste man das Zuckerrohr in Lohn auf Watervreede mahlen lassen. Er, als Verwalter der Mühle, würde damit auch seinen Einfluss auf Rozenburg zurückerobern. Und Juliettes Existenz langsam zu zerstören war noch reizvoller, als ihr die Plantage einfach streitig zu machen. Er würde sie quälen. Wenn es ihm gelang, Juliette und Jean aus dem Geschäft zu drängen, dann müssten sie ihm die Plantage irgendwann aus Geldnot überlassen. Oder, besser noch, er würde ihnen großmütig unter die Arme greifen, auch seinem Sohn zuliebe, und Rozenburg vor dem Untergang retten. Somit wäre Rozenburg wieder sein. Sechzehn Jahre seines Leben hatte Juliette ihm gestohlen! Und seinen Sohn hatte sie wahrscheinlich ganz nach ihrem Gutdünken erzogen. Pieter nahm einen großen Schluck Dram. Er hatte eigentlich nicht vor, nun die Vaterrolle für diesen Achtzehnjährigen zu übernehmen. Es sei denn, er könnte ihn gebrauchen, schließlich hatte der Junge ein Anrecht auf die Plantage. Er würde dieses Pfand zu gegebener Zeit einzusetzen wissen. Martin war ihm gegenüber zutraulich, und in Bezug auf Juliette hatte er einen Plan, schließlich wusste er um zwei ihrer dunkelsten Geheimnisse. Sie würde ihm keine Probleme bereiten. Diesmal nicht.
Kapitel 16
E r hat was?« Zur selben Zeit saß Julie in ihrem Bett, froh, dass der Abend zu Ende war.
»Er hat sich bei mir entschuldigt.« Jean knöpfte sich soeben sein Hemd auf. Nach dem Essen hatte er die Männer auf eine Zigarre und einen Drink in sein Büro gebeten, vermutlich um die prekäre Situation bei Tisch aufzulösen. Henry und Martin hatten folgen wollen, Julie aber hatte die Jungen angewiesen, auf ihre Zimmer zu gehen. Pieter war noch an seinen Sohn herangetreten und hatte ihm gesagt, dass sie ja noch viel Zeit hätten, sich jetzt näher kennenzulernen. Julie hätte ihm am liebsten die Augen ausgekratzt, tat dieser hinterhältige Mensch doch jetzt genau das, wovor sie die größte Angst hatte: Er versuchte, sich in ihre Familie einzuschleichen. Jean setzte sich auf die Bettkante. »Na ja, nicht direkt. Ich denke, er wollte nicht, dass Wim und Thijs etwas von den Vorfällen erfahren. Aber er hat zu mir gesagt, dass er hofft, dass die Jahre die Wogen vielleicht etwas geglättet haben, es ihm durchaus leidtäte, was damals vorgefallen ist, und er hofft, dass man auf neuem Grund bauen kann, nach all der Zeit.«
Julie
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