Die Blume von Surinam
Versuche, sie für den Küchengarten oder gar die Pferde zu begeistern.
Julie wusste nicht mehr weiter. Seit ihrer Ankunft auf Rozenburg waren vier Wochen vergangen, und Gesine kam nur noch selten aus ihrem Schlafzimmer. Wenn, dann saß sie mit gelangweiltem Blick auf der vorderen Veranda und starrte auf den Fluss. Julie hoffe inständig, dass sich Wim bald zu seinem ersten Besuch auf Rozenburg einfinden und Gesine vielleicht etwas aus ihrer Lethargie helfen würde.
Jean hingegen wäre offensichtlich am liebsten nach Watervreede gefahren, um zu sehen, wie Wim und Thijs Marwijk dort vorankamen. Er hatte bereits einen Trupp Arbeiter zusammengestellt, der, sobald Marwijk ihn anforderte, auf die andere Plantage wechseln sollte, um dort auszuhelfen.
Zwischen Jean und Julie hatten sich die Wogen etwas geglättet, seit sie wieder auf Rozenburg waren. Bereits nach ein paar Tagen erschienen Julie die Sorgen, die sie in der Stadt beseelt hatten, weit entfernt. Hier auf der Plantage verlief das Leben trotz allem in gewohnten Bahnen. Aber manchmal, ganz unvermittelt, wurde Julie von der Angst getroffen, alles würde sich ändern. Dann dachte sie an Martin, an Pieter und daran, was aus Rozenburg werden würde, wenn auf Watervreede die Zuckermühle in Betrieb genommen wurde. Das Leben würde dann ganz sicher nicht mehr so beschaulich verlaufen. Und sie fragte sich mehr als einmal, ob Martin sich an ihr und Jean oder eher an seinem Vater orientieren würde. Die Ungewissheit bedrückte Julie in diesen Momenten sehr.
Sie hatte das Gefühl, Martin in dieser für ihn sicher schwierigen Zeit alleingelassen zu haben. Sie konnte die Rückkehr der Jungen auf die Plantage kaum erwarten. Am liebsten hätte sie sie hier, bevor Pieter auf Watervreede Einzug hielt. Obwohl sie vermutete, dass Pieter in der Stadt bereits versuchte, seinen Einfluss auf Martin auszuweiten. Julie hatte Kiri zwar angewiesen, Martin nicht zu viele Freiheiten zu gewähren, aber Martin war jetzt fast neunzehn Jahre alt und ließ sich von der schwarzen Haushälterin nicht mehr einschränken. Vor allem, wenn er Kontakt zu Pieter hatte und dieser ihn mit seiner Einstellung zum Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen beeinflusste.
Nachdenklich warf sie einen Blick auf Helena. Ihre kleine Tochter entwickelte sich prächtig und war Julie stets ein Quell der Freude. Sie krabbelte mit Eifer, gerne in Begleitung der Schildkröte. Wenn Monks es auf unerfindlichen Wegen wieder bis auf die Veranda geschafft hatte, quietschte das kleine Mädchen beim Anblick ihres gepanzerten Freundes vergnügt und sie umrundeten gemeinsam die Tisch- und Stuhlbeine. Allerdings begann Helena inzwischen auch vermehrt, sich an den Möbeln hochzuziehen, und konnte schon einige wackelige Schrittchen an JuliesHänden laufen. Das kleine Mädchen war in seiner Entwicklung viel früher dran, als Henry es einst gewesen war. Er hatte sich lieber tragen lassen, als dass er versucht hatte, sich auf seine eigenen Beinchen zu stellen. Die kämpferische Natur, welche die kleine Helena in diesen Dingen an den Tag legte, verblüffte Julie und erfüllte sie mit großem Stolz.
»Wir müssen aufpassen, dass uns der kleine Käfer nicht bald fortläuft«, bemerkte Jean mit einem liebevollen Lächeln.
Sie hatten sich am Abend auf der Veranda eingefunden. Gesine war bereits auf ihr Zimmer gegangen, und Julie genoss es, mit ihrem Mann und ihrer Tochter allein zu sein. Jean verfolgte die Fortschritte seiner Tochter mit sichtlichem Wohlgefallen, und Julie bedauerte einmal mehr, dass ihm dies alles bei seinem Sohn verwehrt geblieben war.
Kolibris umschwirrten die großen Blüten im Garten, und die Sonne tauchte die sanft schwingenden Palmenkronen in ein warmes Licht. Jean legte liebevoll seinen Arm um Julies Schultern und beide genossen einen Augenblick schweigend die Aussicht.
»Was denkst du, wie lange es noch dauern wird, bis wir von Wim und Thijs Marwijk hören?« Julie wusste, wie sehr es ihn beschäftigte, noch keine Nachricht von Watervreede erhalten zu haben. Mehrfach hatte er die Angst geäußert, dass Marwijks Plan bereits an dem Wiederaufbau der Plantage scheiterte.
Nun zuckte er die Achseln. »Ich weiß es nicht …«
In diesem Moment wurde die Tür vom Haus zur Veranda aufgestoßen.
»Misi, Masra, entschuldigen Sie die Störung, aber …«, sagte Karini, bevor sie zum Stehen kam, und deutete zum Fluss, »ich habe vom Fenster oben gesehen, dass ein Boot kommt.«
»Ein Boot?«, fragte Jean
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