Die Blume von Surinam
Oayanas. Aber dorthin würde keine Nachricht gelangen.
Doktor Rickmers sah einmal am Tag nach Misi Erika und wirkte jeden Tag ein wenig nachdenklicher, wenn er aus ihrem Zimmer kam. Inika gab sich redlich Mühe, die Misi zu versorgen, sie brachte stündlich Wasser und kalte Tücher und saß bei ihr. Misi Erika öffnete aber nur selten die Augen und wenn, dann warsie nicht bei Sinnen, sondern fantasierte und schlug manchmal sogar um sich. Inika war zutiefst berührt. Misi Erika hatte sich immer sehr gut um sie gekümmert. Jetzt war sie es, die Hilfe brauchte, und dabei fühlte Inika sich vollkommen hilflos.
»Können wir denn gar nichts für sie tun?«, hatte sie Misi Minou mehrmals gefragt, aber die hatte nur den Kopf geschüttelt. »Wir müssen abwarten.«
Nach einer Woche, Misi Erikas Zustand war unverändert, bat Doktor Rickmers Misi Minou auf ein Wort. Als sie danach in die Küche kam, hob sie in einer Geste der Ratlosigkeit die Arme. »Der Doktor sagt, wir müssen Misi Erika schnell aus der Stadt bringen, sie braucht ein besseres Klima. Sonst …«, sie schlug betroffen die Augen nieder und ließ die Arme sinken.
Inika spürte, wie sich in ihrem Hals ein Kloß bildete. Auch Bogo wirkte angespannt. Nein, das war undenkbar, sie mussten sofort etwas tun. Aber wo konnte Misi Erika hin? Für Inika gab es nur eine Lösung, sie kannte nur eine Familie, die im Hinterland lebte. Und dort, auf den Plantagen, war das Klima deutlich besser als in der Stadt, das wusste sogar Inika. «Ich weiß ja nicht, aber … können wir sie nicht zu Misi Juliette bringen?«
Misi Minou seufzte. »Ja, darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber wir können Misi Juliette nicht einfach überrumpeln und ihr die kranke Misi Erika schicken.«
Inika war da anderer Meinung. »Doch! Misi Erika ist ihre Freundin, sie wird sie aufnehmen. Und sie wird das verstehen, da bin ich mir ganz sicher«, sagte Inika im Brustton der Überzeugung. Auf Misi Juliette war Verlass. Sie hatte schon in ganz anderen Situationen geholfen.
Misi Minou schien zu überlegen. »Ja, du hast recht«, sagte sie schließlich langsam. »Aber«, fügte sie dann zögernd hinzu, »wie soll Misi Erika bis zur Plantage kommen? Wir können sie doch nicht einfach ohne Begleitung auf ein Boot legen und es den Ruderern überlassen, sie auf die Plantage zu bringen.«
In Inikas Kopf rasten die Gedanken. Misi Minou hatte recht. Das Problem war nicht, wohin sie die Misi schicken sollten. Das Problem war das Wie . Misi Erika würde die Reise nicht allein schaffen, sie brauchte eine Begleitung. Sollte sie etwa selbst …? Inika schauderte. Wie oft hatte sie nicht in Gedanken die Szene ihrer Rückkehr auf die Plantage durchgespielt, alle Möglichkeiten abgewogen und den Gedanken dann jedes Mal verworfen. Die Inder würden ihr auch nach so langer Zeit noch nach dem Leben trachten. Sobald sie einen Fuß auf die Plantage setzte, wäre sie in Gefahr, vor allem aber, wenn Baramadir noch lebte. Andererseits stand das Leben von Misi Erika auf dem Spiel …
Sie hob den Kopf. »Ich mache es, Misi Minou, ich und … und Bogo werden Misi Erika nach Rozenburg bringen«, hörte sie sich mit fester Stimme sagen.
Misi Minou und auch Bogo schauten Inika überrascht an.
»Aber, Inika, du kannst nicht nach Rozenburg«, stotterte die Misi schließlich.
»Doch, ich kann. Misi Erika muss gesund werden, das ist das Wichtigste.« Und in diesem Moment schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, der schnell Gestalt annahm. Ja, so könnte sie auf die Plantage zurückkehren, ohne Gefahr zu laufen, von den Indern erneut geächtet zu werden. »Mir wird schon etwas einfallen«, fügte sie lächelnd hinzu.
Kapitel 9
J ulie musste sich schnell eingestehen, dass es ein Fehler gewesen war, Gesine mit auf die Plantage zu nehmen. Die Frau langweilte sich, und ihr lag der ländliche Lebensstil in keiner Weise. Julie gab sich zwar Mühe, Gesine zu beschäftigen, diese aber zeigte nur mäßiges Interesse, was immer auch Julie versuchte ihr zu vermitteln. Julie hatte ihr den Plantagenalltag erläutert und die positiven Seiten hervorgekehrt, den aber befand Gesine für zu eintönig. Julie hatte sie mit in den Garten genommen, ihr die Pflanzen erklärt und ihr die prächtigen, alten Rosenstöcke gezeigt. Hübsch , hatte Gesine gesagt und verärgert nach einem Schmetterling geschlagen, der es gewagt hatte, dicht an sie heranzuflattern, und war kurz darauf wieder im Haus verschwunden. Ebenso erfolglos blieben Julies
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