Die Blume von Surinam
nicht zu behagen. Aber Julie konnte keine Rücksicht auf Karinis Laune nehmen, es war wichtiger, die beiden Frischvermählten zu schützen. »Wenn noch etwas ist, oder wenn Aniga ruft – ich bin im Salon«, fügte sie knapp hinzu.
Julie ließ sich erschöpft in einen Sessel fallen. Sie starrte ins Leere und bemerkte Jean erst, als er direkt neben ihr stand. »Wie geht es Erika?«
»Aniga kümmert sich, mehr können wir im Moment nicht tun.«
Jean nickte. »Bei Aniga ist sie in den besten Händen.«
Liv brachte den Dram, und Julie wartete nicht, bis die schwarze Haushälterin zur Karaffe griff, sondern schenkte sich und Jean gleich selbst ein. In einem Zug leerte sie das Glas und musste danach scharf einatmen. Der Schnaps brannte in ihrem Hals.
»Oh Jean … hoffentlich verlieren wir sie nicht«, flüsterte sie mit rauer Stimme.
Es dauerte fast drei Stunden, bis Liv Julie in Anigas Auftrag rief. Als sie Erikas Zimmer betrat, stieg ihr der würzige Duft von Kräutern in die Nase, darunter ein Hauch von Schweineschmalz und Zuckerrohr.
»Misi Juliette, ich habe der Misi Tee gegeben, davon muss sie trinken alle Stunde etwas. Ich habe gemacht der Misi einen warmen Körperwickel aus Bagasse und Schmalz, darin muss sie liegen bis morgen früh, dann sie muss kalt gewaschen werden und wieder warm zugedeckt. Ich komme morgen früh wieder. Misis nun alle schlafen für neue Kraft.«
»Danke, Aniga, danke.« Julie war wirklich froh, dass diese Frau auf ihrer Plantage lebte.
Kapitel 10
S o, jetzt können wir allmählich daran denken, die Arbeiter zu holen.« Thijs stemmte zufrieden die Arme in die Hüften und betrachtete das vollendete Tagwerk. Wim trat neben ihn. Er konnte ihm nur zustimmen.
Sie hatten die letzten vier Wochen damit verbracht, die Plantage wieder halbwegs urbar zu machen. Hatten Wege freigelegt, Hütten vom Bewuchs befreit, im Plantagenhaus alle Schäden beseitigt und sogar auf dem Dach ein paar neue Schindeln eingesetzt.
Morgens waren sie mit den ersten Rufen der Brüllaffen aufgestanden und abends mit der untergehenden Sonne zu Bett gegangen. Wim staunte jeden Tag aufs Neue über seine Fähigkeiten, nie hatte er handwerkliches Geschick in sich vermutet. Anfangs hatte er seine Arme tagelang kaum heben können und viele blaue Flecken und Schrammen ertragen müssen, die Sarina abends mit heilenden Salben versorgt hatte. Aber inzwischen hatte er sich an die Arbeit gewöhnt, seine Haut war gebräunt und seine Muskeln gestärkt. Und er fühlte sich gut. Für ihn war das abendliche Resultat seiner Hände Arbeit viel mehr wert, als die tabellarisch angefertigte Gewinn-und-Verlust-Rechnung, die er in den Niederlanden allabendlich hatte studieren müssen.
Zuletzt hatten sie nun fünf der Arbeiterhütten und das Gästehaus vorbereitet. Sie hatten Lianen abgeschlagen, allen Unrat entfernt sowie die morschen Palmwedel, die als Dach dienten, abgenommen. Für neue Dächer würden die Arbeiter selbst sorgen müssen, bald sollten zwanzig von ihnen von Rozenburg kommen. Wim war zunächst skeptisch gewesen, Thijs hatte ihm aber versichert, dass zwanzig Mann dafür nicht länger als einen halben Tag benötigen würden. Im Gästehaus hingegen waren die Schäden gravierender. Das halbe Dach war eingestürzt, und Thijs und Wim hatten die Überreste einfach aus den oberen Fenstern geworfen. Zerschlagene Möbel und allerlei Unrat hatten den Stapel vor dem Haus nach und nach wachsen lassen. Nun aber war alles so weit vorbereitet, dass auch hier mit dem Aufbau begonnen werden konnte. Eine Aufgabe, welche die Arbeiter übernehmen sollten, nachdem sie ihre eigenen Hütten fertiggestellt hatten und bevor es daran ging, die Wirtschaftsbereiche der Plantage instand zu setzen.
Wim und Thijs hatten mit Jean vor der Abreise in das Hinterland die wichtigsten Dinge besprochen und gewissenhaft vorbereitet. Thijs hatte verschiedene Schriftstücke aufgesetzt, die Pieter Brick auf den Weg bringen sollte, sobald er den Auftrag dazu erhielt. Dabei ging es zum einen um Anweisungen an Thijs’ niederländische Bank, weitere finanzielle Mittel nach Surinam zu senden, was angesichts der weiten Entfernung einige Zeit dauern würde. Zum anderen betrafen die Schriftstücke die Bestellung für die Dampfmaschine, die aus Kuba geliefert werden sollte. Den entsprechenden Brief an Pieter Brick hatte Thijs vor wenigen Tagen mittels eines fahrenden Händlers vom Fluss auf den Weg zur Stadt gebracht.
Die Dampfmaschine allerdings bereitete Wim und
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