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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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Märztagen zwang das Schiff, auf dem sich Henry befand, im französischen Calais anzulegen.
    »Wie lange werden wir hierbleiben müssen?« Henry schrie gegen den Wind an.
    Der Kapitän strich sich das Regenwasser aus dem Bart und zuckte lediglich die Achseln.
    »Ich muss aber in die Niederlande!«, rief Henry beharrlich.
    »Dann müssen Sie von Bord gehen und sich eine Kutsche suchen, wir können mit dem Schiff bei dem Wetter nicht weiter nach Rotterdam. Und das kann dauern. Wenn wir jetzt auf die Nordsee rausfahren, kommen wir womöglich nie an.«
    Henry stand unschlüssig an Deck und raufte sich das nasse Haar. Das Schiff wurde hin und her geschaukelt und knarrte bedrohlich, wenn der Wind es gegen die Kaimauer drückte. Der Kapitän hatte recht, die Weiterreise per Schiff war zu diesem Zeitpunkt zu gefährlich. Henry fasste einen Entschluss: Er würde von Bord gehen. Es war zwar eine weite Strecke von Frankreich bis nach Amsterdam, aber sie war durchaus zu bewältigen. Schnell packte er seine Sachen und verließ das Schiff über den schwankenden Steg, über den zuvor die Matrosen von Bord gegangen waren. Diese wiederum schien der Zwangsaufenthalt nicht zu stören. Henry dünkte, dass sie froh waren, die Nacht auf dem weniger schwankenden Lager einer Hafendirne verbringen zu können.
    Im Hafen von Calais rüsteten sich alle hektisch gegen denSturm. Eilig wurden Kisten und Güter festgezurrt und mit dicken Segeltüchern abgedeckt. Die Hafenkneipen schlossen die Fensterläden, und die wenigen Menschen, die noch herumliefen, trieb es in die Häuser. Weit und breit war keine Droschke zu sehen. Henry fror erbärmlich. Nachdem er einmal den ganzen Hafen abgelaufen war und seine Finger am Riemen seines Gepäcksackes bereits taub waren, beschloss er, ebenfalls in einer der Hafenkneipen Schutz vor dem Wetter zu suchen. Dort konnte man ihm zudem vielleicht sagen, wo er eine Droschke mieten konnte.
    Henry wurde schwungvoll mit der Tür in den Raum der kleinen Spelunke gedrückt. Eilig schloss er die Tür und sah sich um. Der Gastraum, in dem er sich befand, war klein und voller Rauchschwaden. An den Tischen kauerten überwiegend Matrosen, die ihr Schicksal mit Alkohol begossen. Der Gastwirt schaute über seine kleine Theke. »Möchten Sie etwas trinken?« Henry nickte.
    »Junger Mann, kommen Sie zu mir an den Tisch.« Ein gediegener älterer Herr, der auf dem gleichen Schiff wie Henry gewesen war, winkte ihn zu sich. Henry nahm die Einladung dankbar an. Von betrunkenen Matrosen hatte er bereits auf dem Schiff Abstand gehalten.
    »Sehen Sie, sehen Sie, kaum ist man in Europa, lernt man das Klima Südamerikas zu schätzen. Wo kommen Sie her, mein Sohn? Brasilien? Surinam?«
    »Aus Surinam«, antwortete Henry und setzte sich auf einen Stuhl. Der Gastwirt stellte ihm etwas barsch einen Humpen Bier vor und hielt dann die Hand auf.
    Henry fuhr der Schreck in die Glieder. Er war auf Zahlungen in Frankreich nicht eingerichtet. »Ich … ich habe nur Gulden.«
    »Schon gut, die nimmt der Kerl auch«, sagte der Mann vom Schiff. Henry reichte dem Wirt einige Münzen, der sich gleich darauf grummelnd zurück hinter die Theke trollte.
    »Schrievenberg mein Name«, sagte Henrys Gegenüber und streckte die Hand zur Begrüßung vor.
    »Henry … Henry Leevken.«
    »Freut mich.« Er schüttelte Henrys Hand. »Und? Gehen Sie wieder an Bord, oder reisen Sie über Land weiter?«
    »Nein, das dauert mir zu lange, und wer weiß, ob der Kapitän die Reise überhaupt fortsetzt. Ich dachte, ich könnte vielleicht mit einer Droschke weiterreisen. Ich muss nach Amsterdam.«
    »Amsterdam … das ist aber noch eine ziemlich weite Strecke.« Der Mann nahm einen tiefen Zug aus seinem Bierglas und starrte dann gedankenverloren vor sich hin. »Aber wissen Sie was? Wenn ich es mir recht überlege, habe ich wenig Lust, mich noch weiter auf diesem Kahn durchschaukeln zu lassen. Lassen Sie uns zusammen eine Droschke mieten. Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
    »Gerne. Dann auf eine gute gemeinsame Reise.« Henry war sich nicht sicher, ob die Reise wirklich gut werden würde, aber zumindest war die Aussicht, den Weg nach Amsterdam nicht allein antreten zu müssen, sehr erfreulich.
    Am nächsten Morgen fühlte sich Henry um hundert Jahre gealtert. Jeder Knochen schmerzte ihn, und von der schlechten Luft im Gastraum hatte er Kopfschmerzen und einen rauen Hals.
    Er hatte mit Schrievenberg die ganze Nacht in der verrauchten Spelunke ausgeharrt. Draußen hatte der

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