Die Blume von Surinam
wollte. Natürlich konnte sie ihm die Bitte nicht abschlagen.
Sie hatten also den Hengst und die Stuten behalten. Und schließlich war Fina in Julies Beisein zur Welt gekommen. Nie würde sie diese mondhelle Nacht vergessen.
Mit erfahrenen Handgriffen hatte Jean der Stute geholfen, das Fohlen zu gebären. Julie hatte ihn überrascht beobachtet, diese Seite an ihm hatte sie bisher nicht gekannt. Er war die Liebe ihres Lebens, ihr bester Freund und Berater, und er überraschte sie dennoch immer wieder aufs Neue, was ihre Liebe zu ihm, tief in ihrem Herzen, immer noch steigerte.
»Mein Vater hatte früher einige Zuchtstuten«, hatte er lapidar geantwortet und liebevoll das kleine Fohlen trocken gerieben.
Julie fragte nicht nach, Jean sprach nicht gerne über seine Eltern, die vor langer Zeit verstorben waren. Mit ihnen war auch deren Plantage und damit der gesamte Familienbesitz verloren gegangen. Diesen Verlust seines Zuhauses hatte Jean nie ganz überwunden, und vermutlich war er der Grund für die strenge Disziplin, die Jean bei der Bewirtschaftung von Rozenburg an den Tag legte.
Jean hatte sich zunächst als Buchhalter über Wasser gehalten und war in dieser Eigenschaft zu Karls Lebzeiten häufiger auf der Plantage gewesen – so lange, bis Karl den Verdacht hegte, Julie hätte ein Verhältnis mit Jean. Karl hatte ihn entlassen, Julie aber nach Henrys Geburt etwas besser behandelt als zuvor und das Kind als das seine anerkannt. Julie war sich bis heute nicht sicher, ob Karl gewusst hatte, dass Henry unmöglich sein Sohn sein konnte.
Im Gegensatz zu Karl ließ Jean Julie an allen Geschehnissen rund um die Plantage teilhaben. Er berichtete ihr immer ausführlich von den Arbeiten auf den Feldern, von seinen Plänen für die Plantage und so auch von der bevorstehenden Geburt des Fohlens. Als bei der Stute die Wehen eingesetzt hatten, hatte Jean Julie gefragt, ob sie dabei sein wollte. Sie war ihm dankbar für dieses Angebot gewesen, das nicht wenige Männer sicher als unpassend für eine Dame gehalten hätten.
»Aber so eine Geburt, na ja …«, hatte Jean schließlich auch zu bedenken gegeben.
»Ich habe immerhin auch schon ein Kind zur Welt gebracht«, Julie hatte lachen müssen.
Die Nacht im Stall, das kleine Wunder, das sich vor ihren Augen abgespielt hatte, das war einer dieser Momente, in denen Julie klar wurde, dass sie alles richtig gemacht hatte. Auch wenn ihr Weg steinig gewesen war. In diesem Moment war sie glücklich.
»Es ist eine kleine Stute. Gib ihr einen Namen«, hatte Jean gesagt, als das langbeinige, feuchte Fohlen neben der Stute lag.
»Fina«, hatte Julie geflüstert und dem kleinen Fohlen sachte über die weiße Schnippe zwischen den Nüstern gestreichelt.
Fina hatte sich schnell zu einer zierlichen, aber wunderschönen Stute entwickelt, und nachdem Jean sie eingeritten hatte, hatte er Julie feierlich Finas Kopfstück gereicht und gesagt: »Sie ist dein Pferd.«
Julie hatte ihn freudig umarmt und Fina sofort mit einigen Leckerbissen verwöhnt. Und in der Tat, trotz des noch jungen Pferdealters und trotz Julies geringer Reitkenntnisse fand Julie von diesem Tag an große Freude daran, auf ein Pferd zu steigen. Nicht nur die Kontrollritte zwischen den Feldern zu den Arbeiterkolonnen, sondern auch die seltenen, unbeschwerten morgendlichen Stunden auf dem Pferderücken genoss sie in vollen Zügen.
Auf der Plantage und zwischen den Feldern gab es nur wenige befestigte Wege, und eigentlich ritt man immer nur im Kreis, aberdiese Zeit, am frühen Morgen kurz vor Sonnenaufgang, in der es schon hell, die Sonne aber noch nicht über die Baumkronen des Regenwaldes gestiegen war, gehörte Julie. Jetzt trieb sie die Stute wieder zu einem schnellen Galopp, die aus den Feldern aufsteigende Feuchtigkeit des Morgens benetzte ihr Haar und Gesicht. Der Weg endete am Flussufer, und sie parierte die Stute abermals durch, beobachtete mit den Zuckerfeldern im Rücken die Sonne auf der anderen Seite des Flusses, die über dem Regenwald aufging. Für einen kurzen Moment war es still, selbst die Brüllaffen schwiegen. Der neue Tag brach an.
Sie stieg vom Pferd und betrachtete andächtig die ersten Sonnenstrahlen, die das sonst so dunkle Wasser des Flusses silbrig glänzen ließen und tausend kleine tanzende Sterne auf das Wasser zauberten. Wo hatte sie das Leben nur hingeführt?
Karl hatte sie damals nicht aus Liebe geheiratet. Sie hatte sich als junge Frau von seinem charmanten Schauspiel täuschen lassen
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