Die Blume von Surinam
Waschschüsseln aus Emaille, sondern Holzeimer mit Wasser vom Fluss, und gegessen wurde nicht an einem Tisch, sondern auf dem Fußboden. Sie lebten in ärmlichen Verhältnissen, und Inika kam es auch so vor, als wären sie ärmer denn je. Trotz des Säckchens, das ihre Mutter nun wieder sorgsam versteckt hatte. Es gab wenig Lichtblicke in dem tristen Alltag auf der Plantage. Sarina betraute Inika mit kleinen Aufgaben rund um das Plantagenhaus wie Hilfstätigkeiten im Küchengarten und in der Küche selbst. Sie musste abwaschen, Gemüse und Obst schälen und putzen und alle zwei Tage zum Fluss laufen, wenn die Fischer ihren Fang brachten. Der Fisch musste immer frisch verarbeitet werden.
Inika fand es ekelerregend, wenn die schwarze Haushälterin Liv den Fischen mit einem scharfen Messer die Bäuche auftrennte und die Innereien herausnahm, die Inika dann in einem Eimer entsorgen musste. Sie hasste den Geruch, zumal er stundenlang an ihrer Kleidung zu haften schien. Inika hatte wenig Lust aufdiese Arbeiten, sie wollte lieber lernen und war daher froh, dass sie zumindest die Dorfschule besuchen konnte. Obwohl sie schon fast vierzehn Jahre alt war, durfte sie dort am Unterricht teilnehmen. Sie verstand bei Weitem nicht alles, so gut waren ihre Sprachkenntnisse noch nicht. Aber genau deswegen hatte die Misi angeordnet, dass sie dorthin ging, und Inika dankte ihr im Stillen dafür. Während der restlichen Zeit musste sie arbeiten. Ihr Vater hatte es so bestimmt, zumal jede arbeitende Hand mehr Geld für die Familie und somit eine bessere Zukunft bedeutete.
Insgeheim wollte Inika das alles nicht. Sie wünschte sich sehnlichst zurück in die gepflegten Häuser und Unterkünfte, die sie hatte kennenlernen dürfen. Sie wollte nichts mehr, als viel zu lernen, um eines Tages auch eine Dame zu werden wie Misi Juliette oder Misi Erika. Sie wollte nicht bis an ihr Lebensende Fischinnereien in Eimern herumtragen und schon gar nicht wollte sie irgendwann groß und kräftig genug sein, um auf die Zuckerrohrfelder geschickt zu werden.
Es gab zwar nicht viele Frauen unter den Kontraktarbeitern, aber Misi Juliette hatte nach wenigen Wochen bestimmt, dass zwei, die schwarze Haushälterin Liv und Inikas Mutter, für den Haushalt durchaus genügten. Also mussten die restlichen Inderinnen auch mit auf die Felder. Zwar arbeiteten sie dort nicht mit den schweren und gefährlichen Macheten, standen dafür aber oft stundenlang hüfttief in den Bewässerungsgräben und klaubten den pflanzlichen Unrat zusammen, der sich dort angesammelt hatte.
Im Gegensatz zu den schwarzen Frauen, die diese Arbeit gewohnt waren, bekamen die indischen Frauen von der Feuchtigkeit und den kleinen Wassertieren Hautgeschwüre und nässenden Ausschlag.
Missmutig nahm Inika wieder Nadel und Faden zur Hand. Ihre Mutter erwartete von ihr, dass sie diese Arbeit fertigstellte,und Inika musste sich eilen. Am Nachmittag würde Liv sie in der Küche brauchen, zum Abend wurden Gäste erwartet.
Hoffentlich gab es keinen Fisch.
Kapitel 3
K arini konnte es kaum erwarten, auf die Plantage zurückzukehren. Die vergangenen Monate in der Stadt waren überschattet gewesen von einer angespannten Stimmung zwischen Masra Henry, Masra Martin, ihr selbst und ihrer Mutter. Kiri hatte die Jungen für den Vorfall auf dem Schulhof gerügt. Masra Henry war das Ganze sichtlich unangenehm gewesen, und er hatte versucht, sich bei Karini zu entschuldigen. Masra Martin tat nichts dergleichen, was Karini umso mehr enttäuschte. Im Gegenteil, er hatte Kiri sogar böse angeblafft, sie hätte ihm gar nichts zu befehlen. Kiri war nicht weiter darauf eingegangen. Wieder einmal hatte Karini ihre Mutter für die Gabe bewundert, manche Dinge stoisch zu ertragen, darüber hinwegzusehen und so weiterzumachen wie gewohnt. Sie selbst hingegen war noch nach Tagen aufgewühlt und ärgerte sich. Nicht einmal Masra Henry hatte sie beschwichtigen können. Je näher die Abfahrt nach Rozenburg rückte, desto mehr legte sich jedoch ihr Unmut.
Als das Boot jetzt am Flussufer bei der Plantage anlegte, stutzte Karini überrascht. Neben Misi Juliette, die ihnen wie immer fröhlich zuwinkte, und der schwarzen Haushälterin Liv standen noch zwei Personen am Ufer: eine zierliche, unverkennbar indische Frau mit einem Mädchen, ungefähr im gleichen Alter wie sie selbst.
»Schön, dass ihr wieder da seid!« Misi Juliette umarmte Masra Henry und Masra Martin, wobei Letzterer sich schnell aus ihren Armen löste und das
Weitere Kostenlose Bücher