Die Blume von Surinam
und fütterten sie mit irgendetwas. Die Tiere hatten sichberuhigt, sie kauten zufrieden und ließen sich von den Menschen die Köpfe streicheln.
Plötzlich erspähte Inika eine weitere Gestalt, die aus dem Haus kam. Eine Frau, die das bunte Kleid der Einheimischen wie zu einem Sari gewickelt trug und das Haar sittsam bedeckt hielt.
Inika stockte der Atem. Der Gang dieser Frau, die Geste, mit der sie sich das Tuch wieder über die Haare zog, als es zu verrutschen drohte, und das Kopfnicken, als sie an der Misi und dem Masra vorbeikam …
Mit einem Aufschrei, der Bogo zusammenzucken ließ, rannte Inika aus dem Zimmer.
Het loopt altijd anders dan je denkt
Es kommt immer anders, als man denkt
Surinam 1877–1878 Plantage Rozenburg, Paramaribo, Plantage Berg en Dal
Kapitel 1
J ulie parierte Fina zum Halten durch.
Es war Anfang August, die Regenfälle wurden weniger, und die Hitze nahm mit jedem Tag zu. Die braune Stute gehorchte wie immer brav ihrer Reiterin, schnaubte und blieb am Rande des weitläufigen Zuckerrohrfeldes stehen. Julie atmete tief die noch kühle Luft des Morgens ein und streichelte ihrem Pferd den Hals.
Sie war Jean dankbar, dass er nicht müde geworden war, sie zu überreden, wieder auf ein Pferd zu steigen. Immerhin war sie jahrelang nicht geritten. Und in diesem Land gab es auch keinen Damensattel für den Seitsitz, wie sie ihn in den Niederlanden auf dem Landgut ihrer Freundin Sofia zum Reiten gehabt hatte. Das Landgut – für Julie lagen diese Zeiten wie in einem fernen Traum lange zurück. Die Sommer bei Sofia und ihrer Familie hatten ihr über ihre triste Jugend zwischen den grauen Internatswänden hinweggeholfen. Die Erinnerungen waren zumeist verblasst, aber der Wind in ihrem Haar, wenn sie und Sofia über die Felder geritten waren, der süßliche Duft von Heu und der kühle Morgentau würden für immer in ihrem Gedächtnis sein. Diese Erinnerungen hatten die Sehnsucht nach dem Gefühl von Freiheit auf dem Pferderücken in ihr geweckt, das Verlangen, wenigstens für kurze Zeit dem Alltag entfliehen zu können. Aber der Erfüllung dieser Sehnsucht des jungen Mädchens hatte zunächst der Anstand einer erwachsenen Frau im Weg gestanden. Allein die Vorstellung, sich breitbeinig auf ein Pferd zu setzen, hatte ihr jedes Mal die Schamesröte ins Gesicht getrieben.
»Jean, ich kann doch nicht … ich setze mich doch nicht wie ein Landjunker auf ein Pferd! Nein!«
»Ach, das sieht doch keiner!« Jean hatte dieses Argument nicht gelten lassen wollen. Er hatte sie verschmitzt angelächelt und sie auf das Pferd zugeschoben. Julie hatte vergeblich versucht, sich aus seinen Armen zu winden.
»Doch, die Arbeiter sehen das … und … und du. Und außerdem habe ich keinen Reitrock und überhaupt …«
»Na, dann zieh eine Hose von mir unter das Kleid, mich stört es nicht«, hatte Jean immer noch schmunzelnd entgegnet.
Julie war empört gewesen. Eine Hose! Man würde sie vermutlich für verrückt erklären. Die Chance, von einem anderen Weißen auf der Plantage gesehen zu werden, war zwar verschwindend gering, aber auch die Arbeiter würden sich ihren Teil denken. Sie hatte eine Weile gezögert, die Verlockung war dann aber doch zu groß gewesen. Und so war sie am frühen Morgen, noch bevor die Arbeiter aus ihren Hütten kamen, schließlich auf die Stute gestiegen, und Jean hatte sie sichtlich erfreut in die Felder begleitet. Schon bald hatte Julie wieder ein Gefühl für das Tier unter sich bekommen, hatte die Freude an einem schnellen Ritt, mit Gefühlen zwischen Angst und Lust, sie gepackt. Sie hatte das Pferd angetrieben und im gestreckten Galopp das erste Mal die wahre Größe ihrer Plantage erfahren.
Nach diesem Tag war Julie einmal mehr froh gewesen, auf Jean gehört zu haben, hatte sie doch zunächst mit dem Gedanken gespielt, die Pferde von Karl zu verkaufen. Jean aber hatte darauf beharrt, die Tiere zu behalten.
»Erstens brauche ich ein Pferd, um die Felder zu beaufsichtigen, und zweitens sind Pferde in diesem Land sehr wertvoll. Nicht, weil man hier besonders gut reiten könnte, sondern weil der Transport aus Amerika oder Europa teuer und aufwendig ist. Viele der Tiere vertragen das Klima hier nicht und sterben, und Liebhaber sind bereit, hohe Preise für eine gute Nachzuchtzu zahlen«, hatte er Julie erklärt. Sie kannte ihn gut genug und wusste, dass er die Pferde durchaus nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen, sondern vor allem aus Liebe zu diesen Tieren behalten
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