Die Blume von Surinam
Dienstboten. Bevor sie durch das Tor den Hof betrat, drehte sie sich noch einmal um. Julius hatte seinen Korb bereits wieder auf dem Arm, winkte aber mit einer Hand zum Gruß. Karini konnte nicht winken, ihr großer Korb war zu schwer, aber sie lächelte ihn noch einmal an, dann eilte sie sich, die Einkäufe zu Liv zu bringen.
Liv empfing sie mit skeptischer Miene. »Wer war das?«
»Ach … ich kenne ihn vom Markt. Er hat mich ein Stück begleitet.« Karini versuchte, ein möglichst gleichgültiges Gesicht zu machen, dabei klopfte ihr das Herz noch bis zum Hals. Sie hatte eine Verabredung. Sie würde ihn wiedersehen.
Am darauffolgenden Freitag brauchte Karini eine ganze Weile, um sich für den Markt herzurichten. Bisher war sie zum Einkaufen immer einfach losgelaufen. Ob sie eine fleckige Kittelschürze aus der Küche trug oder das Kleid, mit dem sie zuvor im Hausgarten oder im Hühnerstall des Stadthauses gewesen war – ihrer Kleidung hatte sie bisher nie Beachtung geschenkt. An diesem Freitag aber lief sie extra noch einmal zurück in ihre Kammer auf dem Hof und zog sich schnell ein frisches Kleid an.
Liv beäugte sie misstrauisch, als Karini den Korb abholte. »Hast du dich umgezogen?«
Karini zuckte unschuldig mit den Achseln. »Ach, ich habe eben etwas Wasser verschüttet, das Kleid war nass.«
Livs Blick wurde noch misstrauischer, draußen sah es sehr nach Regen aus. »Na ja, wenn du meinst.«
Karini griff nach dem Korb und eilte los, bevor Liv weitere Fragen stellen konnte.
Wenig später kam sie atemlos am Markt an. Vor dem Wochenende war es hier immer besonders voll. Die meisten blanken luden am Samstag Gäste ein, und die Bediensteten hatten lange Einkaufslisten abzuarbeiten. Es wurde gedrängelt und gefeilscht, und die Verkäufer versuchten, sich gegenseitig mit lauten Stimmen zu übertrumpfen. Zudem tauschten zwischen den Gängen die Frauen mit den Körben auf den Köpfen die neuesten Nachrichten aus. Der Markt war ein willkommener Treffpunkt.
Karini schlängelte sich zwischen den Verkaufsständen hindurch. Sie hatte heute kein besonders wachsames Auge auf die Dinge, die sie besorgte. Nachlässig prüfte sie die Früchte auf ihre Reife und zählte auch nicht gewissenhaft mit, wenn die Verkäufer ihr die Waren hinlegten. Sie nickte immer nur kurz, bezahlte und ließ dann bereits wieder ihren Blick durch das Getümmel schweifen, in der Hoffnung, Julius zu entdecken.
»Hallo Karini.« Letztendlich war er es, der sie fand. Mit einem breiten Lachen tauchte er neben ihr auf, wieder einen Korb mit Orangen am Arm.
»Hallo.« Karini lächelte verlegen. Die ganze Woche hatte sie überlegt, was sie sagen würde, jetzt aber verschlug es ihr regelrecht die Sprache.
»Musst du noch viel besorgen?«, fragte er und deutete dabei auf ihren Korb.
Schnell schüttelte sie, soweit das mit dem Korb möglich war, den Kopf.
»Hast du … ich meine … wollen wir … wenn du noch Zeit hättest, könnten wir noch kurz zum Hafen rübergehen?«
»Ja, ein bisschen Zeit habe ich noch.« Karinis Stimme klang heiser. Sie räusperte sich und mühte sich nach Kräften, sich ihre Aufregung nicht weiter anmerken zu lassen.
Er wirkte erleichtert, seine braunen Augen strahlten, als er sie ansah. »Fein. Dann lass uns gehen.«
Julius schob sich durch das Marktgedränge voran, Karini folgteihm. Als sie endlich den Rand des Marktes erreicht hatten, atmeten beide auf.
»Ich habe das Gefühl, es wird von Freitag zu Freitag schlimmer. Entweder wird der Markt kleiner, oder immer mehr Menschen kommen zum Einkaufen«, bemerkte Julius, blickte dabei aber besorgt gen Himmel. »Und regnen wird es auch gleich wieder. Komm, Karini, lass uns schnell gehen.«
Am Hafen liefen sie die lange Promenade entlang. Karini schmunzelte. Früher wäre das ein Unding gewesen, damals durften hier inoffiziell nur die blanken flanieren. Heute sah man sie hier aber kaum noch, der Hafen war kein besonders schöner Ort mehr, die Mole war baufällig, die Bänke an der Promenade verwittert, und dank des schlechten Wetters der letzten Wochen lagen zudem zahlreiche abgebrochene Äste und Palmwedel herum. Über dem Fluss sah Karini bereits wieder eine dichte Wolkenwand heranziehen, die schon bald einen kräftigen Regenschauer bringen würde. Karini war das egal. Sie lief glücklich neben Julius her und lauschte gebannt seiner Stimme. Diesmal erzählte er vom Hafen, den großen Schiffen und den Fischern. Wieder konnte Karini sich nicht recht auf die
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