Die Blume von Surinam
Geschichten konzentrieren, Julius redete und redete, und sie genoss es, schweigend neben ihm zu laufen.
Als er sie schließlich fragte, ob sie das ganze Jahr über in der Stadt sei oder von einer Plantage käme, fand sie ihre Sprache wieder. Sie erzählte ihm von Rozenburg, von der Plantage und vom Stadthaus und dass sie immer in der Stadt sei, außer während der großen Trockenzeit, wenn sie die beiden jungen Masras auf die Plantage begleitete.
Die Zeit verging viel zu schnell, und als Karini die Kirchturmglocken läuten hörte, schrak sie auf. Meine Güte, schon so spät! Liv machte sich sicher Gedanken. Und auch wenn sie nichts lieber wollte, als für immer hier mit Julius zu stehen, musste sieder Realität doch ins Auge sehen. »Ich muss jetzt los«, stammelte sie.
»Ich begleite dich noch.«
Karini hatte gehofft, er würde diesen Satz sagen. Ein warmes Glücksgefühl durchströmte ihren Körper.
Wieder brachte Julius sie bis zum Stadthaus. Inzwischen goss es wie aus Kübeln. Karini hatte versäumt, die Einkäufe im Korb abzudecken, und durch das Korbgeflecht rann das Wasser inzwischen über ihre Schultern. Aber sie bemerkte es kaum.
Und wieder half Julius ihr, den Korb abzusetzen.
Sie wollte sich gerade von ihm verabschieden, als sie seine Stimme dicht an ihrem Ohr vernahm: »Karini … nächste Woche … ich weiß ja nicht, ob du Zeit hast, aber … es gibt ein dansi … vielleicht hast du ja Lust.«
Ein dansi! Karini jauchzte innerlich. Wie lange hatte sie das nicht mehr erlebt! Sie liebte diese Feiern, welche die Schwarzen zu allen möglichen Anlässen veranstalteten: eine Eheschließung, eine Geburt oder ein Tag, an dem offiziell ein christliches Fest begangen wurde, die Schwarzen aber meist ihren eigenen Göttern huldigten. Früher hatte ihre Mutter sie öfter mitgenommen, dann hatte sie mit ihren nackten Füßen um das Feuer getanzt. Aber in den letzten Jahren war immer so viel im Stadthaus zu tun gewesen, ihre Mutter hatte Masra Henry und Masra Martin nicht allein lassen wollen, und auf der Plantage waren diese Feiern auch immer seltener geworden. Und nun lud Julius sie zu einem dansi ein! Natürlich würde sie teilnehmen, auch wenn sie ziemlich sicher war, dass Liv ihr das nicht erlauben würde. Aber ihr würde schon etwas einfallen. Karini sah Julius fest ins Gesicht. »Ja, gerne. Wann?«
Julius strahlte trotz des strömenden Regens. »Ich hol dich ab, Dienstagabend.«
»Dann bis Dienstag.«
»Bis Dienstag …«
Karini ahnte nicht, dass sie in diesem Moment aus dem oberen Stockwerk des Stadthauses beobachtet wurden. Es war nicht Liv, die dort argwöhnisch durch das Fenster schaute, sondern Masra Martin, dessen Augenbrauen sich böse zusammenzogen.
Kapitel 16
W enn das so weiterging, würde sie bald sterben, da war Inika sich bereits vier Monate nach der Hochzeit sicher. Unter ihrem Sari war sie grün und blau von den groben Attacken Baramadirs, und zwischen den Beinen schmerzte es mehr denn je. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass dieser Albtraum endete, aber dafür hätte jemand sie anhören müssen. Und wem sollte sie ihr Leid anvertrauen? Einmal hatte sie all ihren Mut zusammengenommen und ihrer Mutter alles erzählen wollen, diese hatte aber sofort abgewinkt.
»Das gibt sich bald, du wirst dich an die Ehe gewöhnen. Wie wir alle«, hatte sie gesagt, auch wenn ihr Blick durchaus das Mitgefühl in ihrem Herzen verriet.
Inika war bitter enttäuscht von ihrer Mutter. Tief in ihrem Inneren glaubte sie nicht, dass ihr Vater ihrer Mutter diese Dinge antat, und damit hatte ihre Mutter leicht reden, aber dass sie ihr nicht einmal zuhörte, versetzte Inika einen Stich. Sie ging ihr seither aus dem Weg. Kurz hatte sie gehofft, Misi Juliette könnte vielleicht etwas tun. Schließlich hatte sie auf der Hochzeit laut bekundet, dass sie mit Inikas Verheiratung nicht einverstanden war. Aber die Misi trug schwer an ihrer Schwangerschaft, und man sah sie nur selten außerhalb des Plantagenhauses, geschweige denn im Dorf der Arbeiter. Die Misi wurde von Übelkeit geplagt und war oft tagelang zu schwach, um das Bett zu verlassen. Masra Jean hatte aus Sorge mehrmals nach der schwarzen Heilerin schicken lassen. Von ihrer Mutter wusste Inika, dass diese absolute Ruhe für die Misi angeordnet hatte. Jeder im Haus hielt sich strikt daran, der Misi diese Ruhe zu verschaffen. Inika würde da keine Ausnahme machen.
Fortlaufen wäre eine Lösung, dachte sie jetzt immer öfter. Aber wohin? Misi
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