Die Blume von Surinam
Becher von ihrer Mutter entgegen und führte ihn mit zitternder Hand zum Mund. Das Gebräu schmeckte schrecklich, aber ihre Mutter hatte gesagt, dass es gegen die Schmerzen helfen würde.
Wie so oft in den letzten Wochen war Inika in die Hütte ihrer Eltern geflüchtet, sobald die Männer auf den Feldern waren. Hier fühlte sie sich sicher, hier würde ihr Baramadir nichts antun.
Sie hatte wirklich versucht, ihren Eltern eine gute Tochter zu sein, und sich deren Entscheidung, sie an Baramadir zu verheiraten, gebeugt. Deren Beweggründe aber hatte sie bis heute nicht verstanden. Baramadir war wohlhabend, natürlich, aber ihre Eltern mussten doch gewusst haben, was für ein Mensch er war und was er mit ihr als Ehefrau machen würde. Umso schlimmer, dass sie ihn dann für sie ausgewählt hatten. Inika hatte eine unbändige Wut auf ihren Vater entwickelt. Seit der Hochzeit hatte sie kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Und insgeheim warf sie ihrer Mutter vor, die Hochzeit nicht verhindert zu haben und Inika auch jetzt nicht aus dieser grausamen Situation zu helfen, dabei wusste sie nur zu gut, dass ihrer Mutter nicht viel mehr Mittel als Tee und Zuneigung zur Verfügung standen. Inika unterdrückte die aufkommende Wut gegen ihre Mutter. Sie fühlte sich so entsetzlich hilflos, so ausgeliefert, und ihre Mutter war der letzte Halt, den sie hatte.
Doch auch ihr gegenüber konnte Inika nicht in Worte fassen, was Baramadir ihr Nacht für Nacht antat. Sie hatte nicht einmal mehr Kraft zu weinen. Das Laufen und das Sitzen fielen ihr sichtlich schwer, aber vielleicht war dies etwas, was Frauen im Allgemeinen zu ertragen hatten, sagte sich Inika im Stillen immer und immer wieder. Wenn sie im Dorf jedoch die anderen Frauen sah … keine von ihnen schien ähnliches Leid ertragen zu müssen. Oder sie hatten sich daran gewöhnt.
Inika würde sich nie daran gewöhnen können, da war sie sich sicher. Wo waren nur all die süßen Gefühle und das liebevolle Miteinander, die in den Liedern immer besungen wurden? Das hier war keine Liebe, das war Folter.
Ihre Mutter bedachte sie immer mit einem mitleidigen Blick und strich ihr über das Haar. Aber selbst diese Berührung ließ Inika inzwischen zurückzucken. Sie trank ihren Becher in kleinen Schlucken leer und erhob sich schließlich mühevoll. Sie musste zurück in Baramadirs Hütte, bevor dieser von den Feldern kam. Traf er sie dort nicht an, wurde er wütend, und das musste sie um jeden Preis vermeiden. Es war so schon schlimm genug. Grußlos verließ sie die Hütte ihrer Eltern, dem traurigen Blick ihrer Mutter wich sie so gut es ging aus, sie konnte ihn kaum ertragen.
Obwohl Baramadir unter den Indern als wohlhabend galt, war seine Hütte noch kleiner als die ihrer Eltern und schändlich heruntergekommen. Im Dorf mühten sich alle, ihre kleinen Behausungen so ordentlich zu halten wie möglich. Die Inder hatten sich bei den Schwarzen die Bauweise der Dächer aus Palmwedeln abgeschaut, ebenso wie das Verputzen der Wände mit Lehm und das Ausbessern der Holzbalken. Baramadir aber scherte sich nicht darum. War ein Loch in der Wand, zuckte er mit den Achseln und hängte eine alte Decke davor, war das Dach undicht, schob er nur mit einem leisen Fluchen die Palmwedel weiter zusammen, dass auf der einen Seite das Dach dann zwar dicht war, auf der anderen aber ein umso größeres Loch entstand.
In dem Bereich der Hütte, in dem das Dach noch in Ordnungwar, lag die Bettstatt. Ein wahllos zusammengewürfelter Haufen alter Decken und Säcke. Es gab eine schmale Hängematte, deren Vorzüge die Inder inzwischen zu schätzen gelernt hatten. Baramadir nutzte sie allerdings allein, Inika musste auf den muffigen Decken auf dem Boden schlafen. Einerseits, weil Baramadir das, was er ihr nachts abverlangte, kaum in einer Hängematte hätte bewerkstelligen können, und andererseits, weil er seine Ruhe haben wollte. Inika aber war froh darum. Sie hätte danach nie und nimmer seine Nähe in der Hängematte gesucht, lieber ließ sie sich die ganze Nacht von Insekten beißen und stechen.
Inika ging zunächst einmal um ihre Hütte herum. Dahinter lag trostlos und verwildert ihr kleiner Kostacker. Baramadir hatte sich nie darum gekümmert, verlangte dies jetzt aber von Inika und forderte möglichst schnelle Erträge. Wie Inika es anstellen sollte, dass die Pflanzen schneller wuchsen und Früchte trugen, wusste sie nicht. Mühevoll hatte sie den Acker gelichtet und vom Unkraut befreit, die Pflanzreihen
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