Die Bluterbin (German Edition)
bekreuzigte sich ehrfürchtig.
Otto glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Aufgeregt starrte er zu den Brüdern hinüber, die ihre Stimmen jedoch sofort senkten, als sie seinen Blick bemerkten.
Seine Stimmung verbesserte sich augenblicklich, und er war überzeugt davon, dass seine Pechsträhne nun endgültig zu Ende war.
Er erhob sich und trat zu den Mönchen.
„Verzeiht mir, wenn ich Euer Gespräch, ohne es zu wollen, mit angehört habe“, begann er höflich. „Aber Ihr spracht von einem Mädchen mit weißer Haut, auf deren Suche ich mich gerade befinde. Könnt Ihr mir daher vielleicht sagen, wo sie sich aufhält?“
Die Mönche sahen sich an. Sie verstanden einander auch ohne Worte.
„Ihr werdet dem Abt nichts davon berichten, dass wir unser Schweigegelübde für einen Moment unterbrochen haben, um uns durch die Worte unseres Bruders erbauen zu lassen?“, fragte einer von ihnen.
Otto schüttelte mit Nachdruck den Kopf.
„Das Mädchen befindet sich oben auf der Burg. Man munkelt, dass der Herr von Coucy sie dort gefangen hält.“
Ob dieser Nachricht hätte Otto am liebsten einen Luftsprung vor lauter Freude gemacht. Doch er beherrschte sich und bedankte sich stattdessen nur mit einem lapidaren „Gott segne Euch“ bei den Mönchen.
Am nächsten Morgen ließ ihm der Abt ein Reitpferd bereitstellen. Darüber hinaus stattete er ihn eigenhändig mit einem mit Silberstücken gefüllten Leinenbeutel aus.
„Richtet dem Bischof meine Grüße aus. Gott segne Euch bei Eurer Reise, möge sie von Erfolg beschieden sein.“
Voll neuen Elans ritt Otto auf die mächtige Burg zu. Schwer bewaffnete Wachen am inneren Tor versperrten ihm den Weg.
„Was ist Euer Begehr?“
„Ich bin im Auftrag des Bischofs von Bourges unterwegs und habe dem Herrn von Coucy eine Botschaft zu überbringen“, gab er hochmütig zur Antwort.
Die Wachen nickten und ließen ihn passieren. Ein Knecht eilte herbei, um ihm das Pferd abzunehmen. Otto überquerte den Innenhof und ging auf den Wohnturm zu, vor dem weitere Wachen postiert waren. Auf ihre Aufforderung hin wiederholte er sein Begehr und wurde eingelassen. Im Gebäude trat ein grauhaariger Diener auf ihn zu und fragte ihn zum dritten Mal nach dem Grund seines Besuches.
Nachdem ihm Otto die gewünschte Auskunft erteilt hatte, verschwand der Diener hinter einer zweiflügeligen Türe, und es dauerte eine geraume Weile, bis er wieder zurückkehrte.
„Der Herr von Coucy ist jetzt bereit, Euch zu empfangen“, beschied er Otto und musterte ihn dabei abschätzend von Kopf bis Fuss.
„Ich hoffe, Ihr überbringt nur gute Nachrichten, denn der Herr befindet sich nicht gerade in bester Stimmung“, warnte er ihn.
Otto gab ihm darauf keine Antwort. Er folgte dem Diener in den Audienzsaal, den ein hochgewachsener Mann in teuren Gewändern gerade mit zusammengepressten Lippen verließ, der dabei an Otto vorüberging, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
Enguerrand stand am Kamin und unterhielt sich mit einigen Männern in Waffenröcken. In der Hand hielt er einen Becher Wein, den er in einem Zug hinunterstürzte und danach mit einer heftigen Bewegung in den brennenden Kamin schleuderte, wo er scheppernd zerbrach.
Der Diener trat zu ihm heran und verbeugte sich tief. „Der Bote des Bischofs von Bourges“, meldete er knapp und entfernte sich dann.
Enguerrand sah Otto direkt ins Gesicht. Seine dunklen Brauen waren drohend zusammengezogen, und seine Miene verhieß nichts Gutes.
„Sagt, was Ihr zu sagen habt, und dann verschwindet“, knurrte er unfreundlich.
Auf einmal fühlte sich Otto gar nicht mehr wohl in seiner Haut. Instinktiv spürte er, dass der Mann vor ihm grausam und unberechenbar war und ihm daher gefährlich werden konnte.
„Hat es Euch etwa die Sprache verschlagen?“, fuhr Enguerrand ihn an. Er wies auf die Männer im Waffenrock. „Ihr seht doch, dass ich wegen Euch mein Gespräch unterbrochen habe.“
Otto verbeugte sich unterwürfig.
„Verzeiht mir, Hoher Herr. Der Bischof hat mich ausgesandt, um den jungen Grafen de Forez und die Tochter des Tuchhändlers Jean Machaut nach Bourges zurückzubringen. Sie stehen unter dringendem Verdacht, einen Mönch vor dem Altar unserer Kapelle ermordet zu haben“, trug er sein Anliegen demütig vor.
Enguerrand wirkte einen Moment lang überrascht, dann aber brach er in schallendes Gelächter aus. Die Männer um ihn herum stimmten in sein Gelächter mit ein und lachten so lange, bis Enguerrand auf einmal
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