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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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ihnen eine Menge Silber für ihre Dienste bezahlt und verspürte außerdem nicht die geringste Lust, den Rückweg durch die Wälder allein zurückzulegen.
    Der Himmel über ihm war grau in grau, und plötzlich begann es wie aus Eimern zu schütten. Innerhalb weniger Minuten war Otto bis auf die Haut durchnässt.
    Er warf einen wütenden Blick nach oben. Es kam ihm so vor, als ob sich nicht nur der Himmel, sondern die ganze Welt gegen ihn verschworen hätte.
    Als er am Marktplatz vorbeikam, lenkte das johlende Geschrei der Menge seinen Blick auf den Pranger.
    Dort war ein bulliger Kerl angebunden, den er sofort erkannte. Das rote Haar klebte wirr an seinem Kopf, den er immer wieder verzweifelt hin und her zu wenden versuchte, was ihm allerdings nicht gelang.
    Von Hugos gewohnter Überheblichkeit war nichts mehr übrig geblieben. Er bot einen jämmerlichen Anblick. Sein Gesicht war blutverkrustet und bis zur Unkenntlichkeit geschwollen.
    Wehrlos musste er es hinnehmen, dass er von der johlenden Menge mit faulem Obst und Pferdeäpfeln beworfen wurde.
    Sobald ihn jemand ins Gesicht traf, klatschten die anderen Beifall und feuerten die Werfer an. Schon wurden die ersten Wetten abgeschlossen. Ein schlauer Obsthändler hatte seinen Knecht sogar mit einem großen Korb fauler Äpfel und dem Auftrag auf den Markt geschickt, diese so teuer wie möglich an die Gaffer zu verkaufen.
    Hugos Kameraden waren rechts und links von ihm an die Schandsäule gefesselt worden und konnten sich ebenfalls kaum bewegen. Da sie jedoch nicht so leicht zu treffen waren, begnügte man sich damit, ihnen im Vorbeigehen einige Tritte zu versetzen.
    Otto hatte genug gesehen. Er wusste, dass man die drei frühestens am Nachmittag befreien würde, um sie dann anschließend mit Peitschenhieben aus der Stadt zu jagen. Sie würden für immer gebrandmarkt sein.
    In seinem Innersten erschüttert, begab er sich in die nächste Schenke, wo er einen großen Krug Wein bestellte. Niemals hätte er es für möglich gehalten, jemals so vom Pech verfolgt zu werden.
    Als ihm der Gedanke kam, dass Gott ihn möglicherweise für den Mord an Bruder Gregor bestrafen wollte, sank er verzweifelt in sich zusammen.
    Er dachte darüber nach, einen Ablasshändler aufzusuchen, als ihm einfiel, dass es für Mord keinen Ablass gab.
    Bisher hatte er sich weder um Gott noch um den Teufel geschoren, doch nun kroch auf einmal eine namenlose Angst in ihm hoch, die bereits seit Jahren in ihm gewachsen sein musste und ihn jetzt mit voller Wucht überfiel und lähmte.
    Er brauchte einen Moment, um sich wieder zu fangen, und er bemerkte, dass seine Hände zitterten. Fluchend schüttete er den restlichen Wein in sich hinein. Sofort begann sich eine wohlige Wärme in ihm auszubreiten.
    Nicht, dass er seine Taten in irgendeiner Form bereute. Jeder Mensch hatte nun mal seinen Platz und seine Aufgabe, und irgendjemand musste die Drecksarbeit schließlich übernehmen.
    Das war nun einmal so und würde sicher auch immer so bleiben.
    Es war etwas anderes, das ihn quälte und sich nicht greifen ließ, etwas, das wie ein dunkler Dämon heimtückisch und raffiniert zugleich war. Und jederzeit bereit, ihm einen tödlichen Stoß zu versetzen.
    Er bestellte einen neuen Krug Wein und versank in Selbstmitleid. Eine hübsche Hure setzte sich zu ihm und sah ihn so teilnahmsvoll an, dass er sich ein wenig getröstet fühlte. Großzügig teilte er seinen Wein mit ihr.
    Auf einmal wurden seine Augen seltsam schwer. Vergeblich kämpfte er gegen die bleierne Müdigkeit an, die seinen Körper lähmte. Ein kurzes Warnsignal in seinem Kopf war das Letzte, was er noch wahrnahm, dann glitt er in eine andere Welt hinüber.
    Als er mit brummendem Schädel wieder erwachte, war es bereits später Nachmittag. Die Hure war verschwunden und mit ihr der Beutel, den er unter seinem Umhang verborgen hatte. Wütend sprang er auf. Der Boden unter seinen Füßen wankte, und ihm wurde speiübel.
    Nach einem Blick auf den Wirt, der ihn höhnisch beobachtete, wurde ihm klar, dass er sich von ihm keine Hilfe erwarten durfte. Wahrscheinlich steckte er mit der Hure sogar unter einer Decke.
    Am Boden zerstört taumelte er aus der Schenke. Dabei fiel sein Blick auf den Pranger. Er war leer. Der Nieselregen, der von dem grau verhangenen Himmel über ihm tropfte, passte zu seiner Stimmung.
    Am Rande des Marktplatzes sah er gerade noch die roten Umhänge der Büttel aufleuchten, die, gefolgt von mehreren Schaulustigen, dabei waren, die drei

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