Die Bluterbin (German Edition)
Jäger.
„Niemand bestiehlt ungestraft den Herrn von Coucy“, schrie er, von plötzlicher Wut übermannt. „Packt sie und knüpft sie am nächsten Baum auf.“
Philipp machte sich vor Angst in die Hosen. Ein warmer Strahl lief seine Beine entlang und in die weichen Stiefel hinein, die sein Vater ihm zum Abschied geschenkt hatte. Ludolf und Kuno sahen sich entsetzt an.
Sie konnten kaum glauben, was sie gerade gehört hatten, aber der wütende Edelmann vor ihnen sah nicht so aus, als würde er spaßen.
„Wir haben doch nur ein paar Hasen geschossen“, stammelte Ludolf kleinlaut. „Abt Simon hat es uns erlaubt.“
Enguerrand grinste höhnisch auf ihn herunter. „Dann wärt ihr mal besser in den klösterlichen Wäldern geblieben. Denn das hier ist mein Wald, und niemand raubt mir mein Wild.“ Er wandte sich an seine Ritter.
„Habt Ihr nicht verstanden, Ihr sollt sie aufhängen!“, brüllte er.
„Aber es sind doch noch Kinder“, gab einer der Ritter zu bedenken. Irgendetwas an dem blonden Philipp erinnerte ihn an seinen eigenen Sohn. Enguerrands Gesicht lief vor Wut dunkelrot an.
„Was Kinder sind und was nicht, bestimme allein ich“, wütete er unbeherrscht. „Und diese drei hier sind nichts anderes als elende Wilddiebe, die ihre gerechte Strafe erhalten werden.“
Niemand aus Enguerrands Gefolgschaft wagte es mehr, ihm zu widersprechen, und noch ehe die drei Jungen überhaupt reagieren konnten, wurden sie auch schon von kräftigen Händen gepackt und auf ein Pferd gesetzt. Ein Seil, dessen anderes Ende über einen kräftigen Ast geschlungen war, wurde ihnen um den Hals gelegt. Es war wie in einem bösen Traum.
„Unser Onkel ist Gilles le Brun, der Konnetabel von Frankreich“, rief Ludolf mit dem Mut der Verzweiflung. Er klammerte sich noch immer an die Hoffnung, dass der wütende Fürst ihnen lediglich eine Lehre erteilen wollte. Doch Enguerrand war es bitterernst.
Kalt lächelnd gab er seinen Rittern das verabredete Zeichen, woraufhin diese den Pferden einen Hieb versetzten, der sie erschrocken losjagen ließ.
Ungerührt beobachtete Enguerrand, wie die Körper der Jungen im Todeskampf zuckten. In ihren aus den Höhlen tretenden, weit aufgerissenen Augen stand hilflose Ungläubigkeit geschrieben. Wenige Augenblicke später waren sie tot.
„Wir reiten zurück.“ Und ohne sich noch einmal umzudrehen, hieb er seinem Pferd die Fersen in die Seite und galoppierte los.
Gilles war in Gedanken noch bei seiner unerwarteten Begegnung mit Robert, als ein Knecht mit hochrotem Gesicht in die Küche stürmte.
Die dort anwesenden Mägde und Knechte unterbrachen ihre Arbeit und starrten ihm interessiert entgegen. Jede Neuigkeit, die sie aus ihrem tristen Alltag riss, wurde begierig von ihnen aufgesogen.
„Ihr glaubt nicht, was geschehen ist“, berichtete er noch immer ganz außer Atem. Er holte mehrmals tief Luft und genoss dabei die Aufmerksamkeit, die ihm von allen gezollt wurde, ganz offensichtlich.
„Der Herr hat in seinem Wald drei junge Edelleute beim Jagen erwischt und sie ohne großes Federlesen am nächsten Baum aufknüpfen lassen.“
Die Augen des Gesindes hingen ganz gebannt an seinen Lippen.
„Der Knappe, der es mir erzählt hat, sagt, sie wären noch nicht einmal erwachsen gewesen und hätten außerdem nur ein paar Hasen gejagt.“
Auf diese Nachricht hin war bis auf das Knistern des Feuers kein Laut mehr in der großen Küche zu vernehmen. Alle waren fassungslos, und Gilles schüttelte mehrmals seinen Kopf.
In diesem Moment betrat Marie die Küche. Sie hatte Adiva beigestanden, die vor Kurzem einen kräftigen Jungen zur Welt gebracht hatte. Die Geburt war schwer gewesen, und Adiva hatte sich die ganze Zeit über wie eine Ertrinkende an sie geklammert. Marie war erschöpft, aber glücklich. Es war die erste Geburt, die sie miterlebt hatte, und der kleine Mensch, der aus Adivas Körper geschlüpft war, erschien ihr wie ein Wunder. Obwohl alles an ihm so winzig war, war er dennoch vollkommen, und sie hatte sich nur schwer von dem süßen kleinen Bündel losreißen können.
Die Unruhe, die sie schon den ganzen Tag über verspürte, hatte sich auf dem Weg in die Burgküche allerdings noch einmal verstärkt. Als sie nun die Küche betrat, merkte sie sofort, dass etwas geschehen sein musste. Das Gesinde starrte auf einen Knecht links von ihr und war noch immer dabei, die soeben gehörte ungeheuerliche Neuigkeit zu verarbeiten.
„Was ist geschehen?“, fragte sie Gilles, der ihr
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