Die Bluterbin (German Edition)
ließ sich auch durch Roberts Rückkehr nichts ändern, es sei denn, Robert hätte tatsächlich eine Möglichkeit gefunden, um sie unbemerkt aus der Burg zu bringen. Der Gedanke machte sie atemlos, und voller Spannung wandte sie dem Geliebten wieder ihr Gesicht zu.
Die Vesper war bereits lange vorbei, als sich der Provinzenmeister bei Abt Simon melden ließ. Er war in großer Sorge um die jungen Grafen, die dem Kloster anvertraut worden waren und unter seiner Obhut standen.
Im Vorraum begegnete er dem Prior, der noch verkniffener als sonst wirkte. Irgendwann wird ihm der Neid noch seine Gedärme zerfressen, dachte er respektlos, während er höflich einen Schritt zur Seite ging, um den Prior vorbeizulassen.
Abt Simon saß an seinem Schreibtisch und dachte über das wenig erfreuliche Gespräch nach, das er gerade mit seinem Prior geführt hatte, der sich wieder einmal über die jungen Grafen beschwert hatte.
„Sie untergraben unsere Autorität und scheren sich einen Dreck um unsere Regeln. Sie sind einfach unverschämt und unverfroren. Schon allein wegen unserer Novizen können wir ihr Verhalten nicht länger dulden und sollten dafür sorgen, dass sie die Abtei so schnell wie möglich und für immer verlassen.“
Im Stillen hatte der Abt seinem Prior sogar recht gegeben, doch Gilles le Brun war der Oberfeldherr von Frankreich und zudem ein enger Vertrauter des Königs.
„Betrachtet es als eine Prüfung des Herrn“, hatte er schließlich gemeint und noch hinzugefügt: „Die Jungen sind nicht hier, um Novizen zu werden, sondern um unsere Sprache und Gebräuche kennen zu lernen.“
„Das können sie auch woanders tun, in Paris und Reims gibt es genügend Schulen für respektlose Bengel wie diese“, hatte der Prior zähneknirschend geantwortet, worauf ihn Abt Simon mit einem strengen Blick bedacht hatte.
„In wenigen Monaten werden sie die Abtei verlassen, und bis dahin ist es unsere Aufgabe, ihnen so viel wie möglich für ihr weiteres Leben mitzugeben. Auch haben wir unsere Verpflichtungen dem König gegenüber, ob uns dies nun gefällt oder nicht. Ihr solltet lieber für sie beten, damit ihre Seelen nicht verloren gehen.“ Damit war das Gespräch für ihn beendet gewesen.
„Gibt es sonst noch etwas?“ Demonstrativ hatte er nach der Heiligen Schrift gegriffen.
Kaum hatte der Prior den Raum verlassen, als er sich auch schon erleichtert zurückgelehnt hatte.
„Bitte, Herr, gib mir die Kraft, diesen Mann zu ertragen“, murmelte er.
Sein Blick fiel auf das schlichte Holzkreuz über der Tür. Sofort musste er wieder an seinen Traum und an das Mädchen denken. Ob Gott ihm seinen Wunsch, sie zu sehen, wohl erfüllen würde?
In diesem Moment hatte ihm sein Diener den Besuch des Provinzenmeisters gemeldet. Bruder Viktor wirkte aufgeregt.
„Bitte entschuldigt die späte Störung, aber die jungen Grafen sind noch nicht zurück. Deshalb wollte ich Euch um Erlaubnis bitten, einige Brüder auszusenden, die nach ihnen suchen.“
„Hast du eine Vermutung, wo sie sein könnten?“, fragte der Abt.
„Sie wollten Hasen jagen, eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen“, erwiderte Bruder Viktor. „Vielleicht haben sie sich dabei ja in den Wäldern verirrt? So lange wie heute sind sie jedenfalls noch nie fortgeblieben.“
„Wie sollen sie unsere Brüder in der Dunkelheit finden? Ich schlage vor, wir warten bis zur Morgendämmerung und begeben uns dann auf die Suche nach ihnen. Gib dem Dienstmann Bescheid, er soll mit seinen Männern in aller Frühe aufbrechen, falls sie bis dahin nicht längst zurück sind.“
Aber Bruder Viktor war noch immer nicht beruhigt. Im Gegensatz zum Prior mochte er die Jungen, die ihn in all ihrer Sorglosigkeit an seine eigene Jugend erinnerten.
„Sie werden sicher große Angst haben, denkt doch nur an die Wölfe“, gab er zu bedenken.
„Die Wölfe werden ihnen nichts tun. Außerdem haben sich die Jungen selbst in diese Lage gebracht und müssen nun auch sehen, wie sie damit zurechtkommen. Das wird ihnen eine Lehre sein, die sie mehr als verdient haben“, erwiderte Abt Simon streng. „Sie denken nur an ihr eigenes Vergnügen, und ein wenig Furcht wird ihnen nicht schaden. Ich wünsche dir eine gute Nacht.“
Bruder Viktor erhob sich.
Der Diener begleitete ihn hinaus und schloss die Türe hinter ihm.
„Habt Ihr noch einen Wunsch?“, wandte er sich danach an den Abt, doch der sah ihn nur eine Weile gedankenverloren an und winkte ab.
„Ich brauche dich nicht mehr, du
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