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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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die mächtige Burg von Coucy vor ihnen auf. Mit offenem Mund starrte Jack auf die Anlage, deren Größe seine Vorstellungskraft sprengte. Noch nie zuvor hatte er ein solch gewaltiges Bauwerk gesehen. Plötzlich war er voller Vorfreude, schon bald dort einreiten und die komplette Anlage ganz genau in Augenschein nehmen zu können. Robert dagegen näherte sich der Burg voller Anspannung und mit klopfendem Herzen. Er hasste die große Löwenplattform vor dem Tor, die immer deutlicher zu sehen war und die jedem Besucher die ganze Machtfülle des Herrn von Coucy vor Augen führte.
    Die gesamte Plattform ruhte auf drei riesigen Löwen, die nebeneinanderlagen und von denen der eine ein Kind fraß, der andere einen Hund, während ein dritter zwischen ihnen abwartend und lauernd auf die Besucher blickte.
    Auf der Plattform saß majestätisch ein vierter Löwe, und genau an dieser Stelle erschienen die Vasallen, um dem Herrn von Coucy ihre Ehrerbietung zu bekunden und ihre Pacht zu entrichten.
    An jedem Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfest kam außerdem der Abt von Nogent als Gesandter des Bischofs nach Coucy, um Enguerrand für das Land zu huldigen, das den Mönchen einst von Aubry de Coucy geschenkt worden war.
    Während seines unfreiwilligen Aufenthalts auf der Burg hatte Robert dieses Ritual einmal beobachten können, das ebenso feudal wie barbarisch war und den Größenwahnsinn derer von Coucy in aller Deutlichkeit aufzeigte:
    Der Gesandte des Bischofs ritt während dieser Zeremonie ein braunes Pferd mit gestutzten Ohren und Schweif, das ein Pfluggeschirr trug.
    Der Abt führte zudem eine Peitsche bei sich, eine Säschale mit Weizen und einen Korb mit hundertzwanzig sichelförmigen Pasteten aus Weizenmehl, die mit geminztem Kalbfleisch gefüllt und in siedendem Öl ausgebacken worden waren. Dem Reiter folgte ein Hund mit ebenfalls gestutzten Ohren und Schwanz sowie einer Pastete um den Hals.
    Nachdem der Gesandte dreimal das steinerne Kreuz vor dem Burgtor umritten und dabei seine Peitsche hatte knallen lassen, stieg er ab und kniete vor der Löwenplattform nieder. Anschließend bestieg er die Plattform, küsste den majestätisch sitzenden Löwen und hinterließ dann die Pasteten und zwölf zusätzliche Brotlaibe mit drei Krügen Wein als Zeichen seiner Huldigung.
    Der Herr von Coucy nahm hierauf ein Drittel der Gaben an sich und verteilte den Rest anschließend unter den versammelten Beamten und Stadtherren. Danach drückte er dem Huldigungsschreiben des Bischofs ein Siegel auf, das einen ziegenfüßigen Abt mit einer Mitra zeigte.
    Die unterschiedlichsten Erinnerungen stürmten auf Robert ein, als sie nun durch die äußere Befestigungsmauer ritten. Die Wachen am Wehrtor ließen sie anstandslos passieren, da die Ritter schon seit Tagen mit ihren Knappen in Coucy ein und aus gingen und es unmöglich für sie war, sich all die hochtrabenden Namen zu merken. Außerdem waren dafür die Schreiber der Turniervögte zuständig, die seit Tagen damit beschäftigt waren, die endlos langen Adelslisten mitsamt den dazugehörigen Wappen anzulegen und aufzuzeichnen.
    Jack kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Mit großen Augen starrte er auf den mächtigen Wohnturm, der sich drohend vor ihnen erhob und bis in den Himmel zu reichen schien. Robert stieg von seinem Pferd und übergab Jack die Zügel.
    „Da vorne befinden sich die Stallungen“, sagte er und wies auf die niedrigen Gebäude, die seitlich rechts von ihnen lagen. „Und vergiss nicht, dass ich von jetzt an dein Herr bin. Mein Name ist Bernard von Auvergne.“
    Er schlug seinen Umhang höher und lief mit großen Schritten auf die Burgküche zu, während er überlegte, wem er hier wohl vertrauen konnte. Der Stallmeister würde ihn sicher nicht verraten, ebenso wenig Gilles, der Küchenmeister. Doch selbst wenn ihn diese beiden unterstützten, konnte sein Unternehmen immer noch scheitern, und das durfte keinesfalls geschehen, denn Enguerrand würde kein Erbarmen kennen.
    Vor der Burgküche blieb er stehen.
    Vertraute Gerüche schlugen ihm aus der weit geöffneten Türe entgegen und vermischten sich mit dem Stimmengewirr der Knechte und Mägde, das ab und an von den lautstarken Befehlen des Küchenmeisters übertönt wurde.
    Ein Knecht mit einem Sack über der Schulter eilte mit abgewandtem Gesicht an ihm vorbei und machte einen kleinen Bogen um ihn herum. Es war nur klug, den Rittern aus dem Weg zu gehen, die mit jedem, der ihnen zu nahe kam, ihre rüden Scherze zu

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