Die Bluterbin (German Edition)
klammerte sich verzweifelt an den Knappen, der schon mit den Augen zu rollen begann.
Robert und Marie warfen sich immer wieder innige Blicke zu. Sie hatten es geschafft und alle Hindernisse, die zwischen ihnen gelegen hatten, überwunden.
Verheißungsvoll und strahlend lag die Zukunft vor ihnen, und schon bald würden sie endlich Mann und Frau sein.
Vor dem Westtor hatte sich eine lange Schlange aus Wagen, Tieren und Menschen gebildet, und sie kamen nur langsam voran. Immer wieder geriet die Schlange ins Stocken. Marie und Robert waren fest eingekeilt zwischen anderen Reisenden, Tierleibern und Holzkarren und konnten sich weder vor noch zurück bewegen.
„Wir hätten besser daran getan, das Osttor zu nehmen und außen um die Stadt herumzureiten“, brachte Bernard ärgerlich hervor und versuchte zu erkennen, was vorne am Tor vor sich ging.
„Die Wachen scheinen nach jemandem zu suchen“, stellte er schließlich fest.
Als sie näher kamen, erkannte er die schwarzen Gewänder der Dominikaner, die neben den Wachen auf der Brücke standen und jeden kontrollierten, der die Stadt verließ. Sie hatten das Tor beinahe erreicht, als Robert erstarrte. Nur wenige Pferdelängen von ihm entfernt stand Albertus, den Blick fest auf die langsam vorbeiziehenden Passanten gerichtet. Mit lauter Stimme gab er den Wachen Anweisungen. Was hatte das zu bedeuten?
Aufgeregt wandte er sich zu Bernard um, der sich direkt hinter ihm befand.
„Seht Ihr den Bruder in der schwarzen Kutte? Das ist der Dominikaner, der von Radulfus den Auftrag bekommen hat, den Mord an Bruder Gregor aufzuklären.“
Bernards hübsches Gesicht verzog sich zu einem grimmigen Lächeln.
„Ich habe ja gewusst, dass es ein Fehler sein würde, in die Stadt zu reiten. Der Bischof muss von unserer Anwesenheit erfahren haben.“ Er zweifelte nicht einen Moment lang daran, dass sich die Wachen vor ihnen ihretwegen am Tor befanden.
„Was gedenkt Ihr jetzt zu tun? Umkehren können wir nicht, genauso wenig können wir kämpfen. Gegen die Übermacht der Wachen haben wir keine Chance.“
Vor ihnen war eine kleine Lücke entstanden, und einige der Menschen hinter ihnen versuchten, sich an ihnen vorbeizudrängen. In diesem Augenblick sah Albertus auf. Über die Köpfe der Menschen hinweg blickte er Robert mitten ins Gesicht, und in seine kalten, blauen Augen trat ein schadenfroher Ausdruck.
„Dort vorne sind sie“, rief er mit lauter Stimme. „Ergreift sie und schafft sie in den Bischofspalast.“
Noch bevor Robert reagieren konnte, sprang eine der Wachen auf sein Pferd zu und griff nach den Zügeln. Zwei weitere rissen Robert und Marie unsanft vom Pferd. Hilflos musste Robert mit ansehen, wie Marie von einem kräftigen Kerl gepackt und fortgeschleppt wurde, während er selbst von den anderen beiden Wachen in Schach gehalten wurde. Er versuchte sich loszureißen und hatte bereits einen Arm frei, als ihn eine Faust mitten ins Gesicht traf.
Er hatte sich noch nicht von diesem Schlag erholt, als er schon brutal zu Boden gedrückt wurde. Einer der Männer fesselte ihn mit einem Seil, sodass er sich kaum noch bewegen konnte.
Bernards rechte Hand war zunächst nach vorne gefahren und hatte mit festem Griff sein Schwert umfasst, das in der Scheide am Sattel befestigt war. Dann aber war ihm klar geworden, dass es keine Möglichkeit für ihn gab, Robert zu befreien. Allein vor ihm befanden sich sechs Wachleute, und auf der Brücke standen weitere sechs, bereit, sofort einzugreifen, falls es nötig werden sollte. Es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben, und am liebsten hätte er sich noch immer mit dem Schwert in der Hand mitten in die Wachen hineingestürzt. Aber er wusste, dass er Robert jetzt nur noch helfen konnte, indem er abwartete und einen kühlen Kopf bewahrte.
Robert sah ihn an. Er bot einen jämmerlichen Anblick. Sein Gesicht war angeschwollen, seine Lippen aufgeplatzt, und aus seiner Nase strömte das Blut nur so heraus und beschmutzte die Waffenröcke der Wachen.
„Reitet zu König Ludwig und bittet ihn um Hilfe“, rief er Bernard zu.
Doch seine Worte gingen in dem plötzlich entstandenen Tumult unter, der hinter ihnen entstanden war, nachdem ein reicher Händler versucht hatte, sich an zwei Bauernkarren vorbeizudrängen.
Bernard konnte die Worte, die Robert ihm zuschrie, nicht verstehen. Er sprang vom Pferd und schob sich näher an Robert heran.
„Verschwindet“, schrie ihm einer der Wachen, ein kräftiger, bulliger Kerl, zu und erhob drohend sein
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