Die Bluterbin (German Edition)
drückte seine Lippen auf den Ring. Dann erhob er sich und verließ den Raum.
Im Flur blieb er stehen und beobachtete, wie die beiden Wachmänner die Gefangenen in ihre Mitte nahmen und aus dem Bischofspalast führten.
Robert und Marie wurden in den Nordturm der Kathedrale geschafft, dessen unterste Stockwerke der Kirche als Kerker dienten, und dort in getrennte Zellen gesperrt.
Robert war ruhig und gefasst, eine kalte Wut auf den Bischof hatte ihn überkommen. Radulfus war entweder vollkommen wahnsinnig, oder aber – und diese Vorstellung gefiel ihm gar nicht – er fühlte sich so sicher und unangreifbar, dass er selbst die Heilige Inquisition nicht mehr fürchtete. Das aber würde wiederum bedeuten, dass er vor der Aufklärung des Mordes an Bruder Gregor keine Angst hatte, obwohl niemand außer ihm selbst für dessen Ermordung verantwortlich war.
Allerdings war Otto, der einzige Zeuge, der Radulfus als den wahren Schuldigen und Auftraggeber dieses Verbrechens entlarven konnte, tot. Ob Radulfus von Ottos Tod wusste? Er konnte sich jedenfalls nicht sicher sein. Wenn jemand verschwand, war das noch lange kein Beweis für dessen Tod, und der Bischof musste damit rechnen, dass Otto jederzeit wieder auftauchen konnte.
Die verschiedensten Gedanken gingen ihm durch den Kopf, dazwischen tauchte immer wieder Maries Gesicht vor ihm auf. Er würde alles dafür geben, um bei ihr sein zu können. Ob es ihr wohl gut ging? Dann zwang er sich jedoch, den Gedanken an sie zur Seite zu schieben und stattdessen weiter die gegenwärtige Lage zu analysieren. In keinem Fall durfte er jetzt die Fassung verlieren.
Niemand würde einen Bischof mit einem Mord in Zusammenhang bringen, aber auch um einen unbescholtenen Adligen zu verurteilen, brauchte man überzeugende Beweise und glaubhafte Zeugen. Er war kein Ketzer, und auch der Kirchenbann war zu keiner Zeit über ihn oder ein Mitglied seiner Familie verhängt worden.
Bernard würde bezeugen, dass er nichts mit dem Mord zu tun gehabt hatte.
Der Gedanke an Bernard war beruhigend. Sein Freund befand sich irgendwo da draußen und würde alles unternehmen, um ihnen zu helfen. Fieberhaft überlegte Robert weiter.
Die Angelegenheit mit dem Bischof musste endgültig bereinigt werden, sonst würde er niemals mit Marie in Ruhe leben können. Er konnte nur hoffen, dass der Tag des Gerichts so bald wie möglich anbrechen würde. Bevor sie getrennt und jeder von ihnen in ein anderes Verlies gebracht worden waren, hatte Marie ihn noch angelächelt. Er wusste, dass sie auf Gott vertraute. Ihre aufrechte Haltung und ihr entschlossener Gesichtsausdruck hatten ihm gezeigt, dass sie den Bischof nicht mehr fürchtete.
Dass sie keine Angst zeigte, machte es einfacher für ihn, trotzdem war es schwer für ihn zu ertragen, eingesperrt und damit zur Untätigkeit verdammt zu sein.
Wieder einmal war Marie durch ihn in eine Situation gekommen, die sie nicht verdient hatte. Wäre es vielleicht besser gewesen, sie in Coucy zu lassen? Er überlegte kurz, beantwortete die Frage dann aber mit einem klaren Nein. Es war an der Zeit, sich Radulfus zu stellen. Der Mord an Bruder Gregor musste endlich aufgeklärt werden, und er würde alles tun, um den Bischof zu überführen.
Robert sah sich in seinem Gefängnis um. Das dunkle Verlies war feucht und stank nach Kot und Modder. Es gab keinen Schacht oder sonst irgendeine Öffnung, die Licht eingelassen hätte, sodass die Zelle tagein, tagaus in eine gleichmäßige Dunkelheit getaucht war, die Robert jedes Zeitgefühl verlieren ließ.
Robert schob das angefaulte, modrige Stroh in eine Ecke und setzte sich auf den nackten, feuchtkalten Boden. Er war dazu verdammt zu warten. Um ihn herum war alles still, und er döste eine Weile vor sich hin. Ab und an schreckte er hoch und starrte in die Dunkelheit. Schließlich begann er, die dunklen Schatten zu zählen, die ab und zu an ihm vorbeihuschten, oder lauschte, wie von irgendeiner Stelle an der Decke dicke Tropfen auf den Boden klatschten.
Robert wusste nicht mehr, wie lange er so gesessen hatte, als er schließlich Schritte vor der Türe hörte. Ein Wärter kam herein und reichte ihm wortlos eine Schale mit dünner Suppe.
Robert zwang sich dazu, etwas zu essen, denn er wollte unbedingt bei Kräften bleiben, um Radulfus im Laufe des Prozesses die Stirn bieten zu können. Doch die Suppe schmeckte so scheußlich, dass er sie – entgegen seinem Vorsatz – wieder zur Seite stellte. Sehr zur Freude einer fetten Ratte,
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