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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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fiel eine Türe ins Schloss, und sie hörten Schritte, die rasch näher kamen. Geistesgegenwärtig löschte Robert die Lampe. Mit angehaltenem Atem lauschten sie in die Dunkelheit. Die Schritte wurden leiser. Dann war es wieder still.
    „Das war knapp.“ Robert wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    „Wir haben den falschen Gang genommen. Wenn mich nicht alles täuscht, kamen die Geräusche von der anderen Seite.“
    Vorsichtig tasteten sie sich an der Mauer entlang. Es war so dunkel, dass sie die Hand vor ihren Augen nicht mehr sehen konnten. Nach einer Weile stieß Bernards Hand ins Leere.
    „Ich habe die Abzweigung gefunden“, flüsterte er aufgeregt. Sie bogen in den Gang ein, fanden sich kurze Zeit später aber vor einer Mauer wieder. „Der Gang ist hier zu Ende.“ Robert klang enttäuscht. Mit beiden Händen tastete er das Mauerwerk vor sich ab. Auf einmal fühlte er Holz unter seinen Fingern und entzündete die Lampe wieder. Direkt vor sich sahen sie eine schmale Türe, die von außen mit einem breiten Eisenriegel verschlossen war.
    Entschlossen schob Robert den Riegel beiseite und öffnete die Türe einen Spalt weit. Im Licht der Kienspäne entdeckte er Marie. Zusammengerollt wie eine Katze lag sie auf dem kalten Steinboden und schien zu schlafen. Robert beugte sich zu ihr hinunter und weckte sie behutsam auf.
    Sie erstarrte unter seiner Berührung, und ihre Lider flatterten, bevor sie schließlich widerwillig die Augen öffnete. Als sie Robert erkannte, strömten ihr vor Erleichterung die Tränen über die Wangen. Robert half ihr beim Aufstehen.
    „Wir müssen sofort hier raus“, stieß er hervor und zog Marie bereits mit sich nach draußen. Bernard schloss die Türe hinter ihnen und schob den Riegel wieder davor. Dann liefen sie, so schnell es ihnen auf dem unebenen Boden möglich war, zurück. Als sie die Abzweigung erreichten, blieb Bernard kurz stehen und rang völlig außer Atem nach Luft.
    „Wenn dieser Gang aus der Stadt herausführt, solltet Ihr ihn nehmen. Bis Radulfus Euer Verschwinden entdeckt, könnt Ihr schon einen guten Vorsprung haben“, keuchte er noch immer ganz außer Atem.
    Robert wusste, dass Bernard recht hatte, trotzdem zögerte er.
    „Habt Ihr Euch schon überlegt, wohin Ihr gehen werdet?“ Robert schüttelte den Kopf. Die sachlichen Fragen seines Freundes ließen seine Aufregung schwächer und ihn ruhiger werden.
    Marie schwieg. Sie hatte bisher noch kein einziges Wort gesprochen.
    „Habt Ihr Verwandte außerhalb von Frankreich, zu denen Ihr gehen könnt? Denkt nach oder denkt meinetwegen unterwegs darüber nach. Ihr dürft keine Zeit mehr verlieren“, drängte Bernard.
    Er reichte Robert seinen Beutel. „Hier sind noch einige Sous drin. Ihr werdet sie brauchen“, sagte er. Dann versetzte er Robert einen leichten Stoß. „Nun geht endlich. Ich wünsche Euch Glück.“
    Robert nahm Maries Arm und setzte sich in Bewegung.
    Bernard lief in die andere Richtung und seufzte vor Erleichterung, als er das Ende des Ganges endlich erreicht hatte. Eilig verschloss er die Türe und zog den Schlüssel ab. Dann hastete er durch das Gewölbe die Treppe hinauf, wo er schwer atmend stehen blieb, um sich etwas auszuruhen.
    Plötzlich fielen ihm die beiden Novizen ein, die ihn mit Robert gesehen hatten, kurz bevor sie zusammen die Kathedrale betreten hatten. Er würde gute Zeugen brauchen, um nicht in den Verdacht zu geraten, etwas mit Roberts plötzlichem Verschwinden zu tun zu haben, oder schlimmer noch, mit dem Mord an Bruder Gregor in Verbindung gebracht zu werden.
    Durch die Sakristei gelangte er aus der Kathedrale und ins Freie. Er kletterte über die Mauer der Heiligen Stadt und begab sich auf dem schnellsten Weg in die nächstbeste Schenke.
    Auf den Wirt dort konnte er sich verlassen, denn dieser hegte einen tiefen Groll gegen die hohen Kirchenherren, die regelmäßig von der Kanzel herab gegen ihn und seinesgleichen wetterten, um sich im Anschluss daran dann selbst voller Scheinheiligkeit den eben noch verdammten, weltlichen Genüssen hinzugeben.
    Marie ließ sich schweigend von Robert durch die dunklen Gänge führen und drängte sich Schutz suchend enger an ihn. Der schmale Gang erschien ihnen endlos, und Robert befürchtete schon, dass sie sich verlaufen haben könnten. Immer wieder kamen sie an Abzweigungen, die abrupt vor einer Mauer endeten.
    Robert verlor jedes Zeitgefühl. Als er kaum noch damit rechnete, jemals den richtigen Weg nach draußen zu finden, führte der

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