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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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Gang langsam nach oben, und sie fanden sich unerwartet mitten im Sumpfgebiet wieder. Über ihnen funkelten die Sterne.
    Er wandte sich um. Hinter ihnen erhob sich dunkel die Kathedrale über der Stadt. Die mächtigen Türme verschmolzen mit dem nachtblauen Himmel.
    Doch sie waren nicht so weit von der Stadt entfernt, wie er gehofft hatte.
    Marie sah zu ihm auf. Im Licht der Sterne konnte er ihre Augen sehen. „Ich danke Euch“, sagte sie leise, und Roberts Herz zog sich zusammen. Für einen Moment lang drohten ihn seine Gefühle für Marie zu überwältigen.
    „Wir müssen weiter“, sagte er jedoch nur, und seine Stimme klang rau. Sie liefen durch den Sumpf nach Norden, weiter durch saftige Wiesen und lichte Wälder, bis sich Marie vor Erschöpfung nicht länger auf den Beinen halten konnte und strauchelte. Robert hob sie hoch und trug sie auf seinen Armen, weiter und weiter, fort von diesem teuflischen Bischof, der vor nichts zurückzuschrecken schien, um seine finsteren Pläne in die Tat umsetzen zu können.

22
    Die Dunkelheit der Nacht umgab sie wie ein schützender Mantel, und das gleichmäßige Wandern, begleitet von dem monotonen Zirpen der Grillen, bewirkte, dass Robert nach und nach wieder zu sich kam.
    Irgendwann legte er Marie behutsam ins Gras und ließ sich erschöpft neben sie sinken. Sie befanden sich weit abseits der Reisewege auf einer wild wachsenden Wiese, durch die sich ein kleiner Bach schlängelte. Robert nahm den ledernen Trinkbecher, den er stets am Gürtel befestigt bei sich trug, und gab Marie zu trinken. Erst dann stillte er selbst seinen Durst und labte sich an dem klaren, kalten Wasser.
    Ein heller Streifen tauchte am Horizont auf, und mit ihm begann ein neuer Tag. Glutrot stieg die Sonne vor ihnen auf und ließ die Schrecken der letzten Nacht unwirklich wie einen bizarren Traum erscheinen.
    Der trillernde Gesang der Vögel in den Bäumen über ihnen verstärkte diesen Eindruck noch. Die ersten Käfer krabbelten über das hoch aufgeschossene Gras und erfrischten sich an den glitzernden Tautropfen. Robert richtete seinen Blick zum Himmel. Welchen Weg hatte der himmlische Herrscher in Seiner unergründlichen Weisheit für sie erwählt? Er betrachtete das friedlich schlafende Mädchen an seiner Seite, und seine Sorgen über die ungewisse Zukunft wandelten sich in eine nie zuvor gekannte Zärtlichkeit.
    „Herr, ich danke Dir für die Gnade, die Du uns in Deiner großen Güte erwiesen hast“, stieß er inbrünstig hervor.
    Nachdem Marie aufgewacht war, wanderten sie weiter. Dabei warf Robert Marie von Zeit zu Zeit immer wieder prüfende Blicke zu. Seit der letzten Nacht, nachdem sie ihm für ihre Rettung gedankt hatte, hatte sie kein Wort mehr gesprochen. Blass und gleichgültig folgte sie ihm, als würde ihr Schicksal sie nicht mehr interessieren. Nur das Glühen ihrer dunklen Augen stand im Widerspruch zu ihrer scheinbaren Teilnahmslosigkeit.
    Sie braucht Zeit, um die schrecklichen Erlebnisse zu vergessen, dachte Robert. Dennoch brannte er darauf zu erfahren, was Radulfus ihr angetan hatte, aber er riss sich zusammen und zwang sich zu warten. Irgendwann würde Marie ihm sicher erzählen, was geschehen war.
    Plötzlich fiel ihm ein, dass sie wahrscheinlich seit Tagen nichts mehr gegessen hatte. Er blieb stehen.
    „Habt Ihr Hunger?“, fragte er sie, worauf Marie nur unmerklich den Kopf schüttelte. Wahrscheinlich würde er sie zwingen müssen, etwas zu sich zu nehmen, doch dazu müsste er erst einmal etwas zu essen auftreiben. Sein Magen gab ein unmissverständliches Knurren von sich. Er achtete nicht darauf und beschloss, sich auch weiterhin fernab der Wege zu halten. Ob Radulfus sie wohl verfolgen ließ? Jedenfalls würde er, solange er dies nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen konnte, kein Risiko eingehen.
    Die Sonne stand schon hoch, als sie an einem kleinen, mit Stroh gedeckten Holzhaus vorbeikamen.
    Die Frau des Jagdaufsehers war gerade damit beschäftigt, die Hühner zu füttern. Sie trug ein schlichtes Gewand aus gebleichtem Leinen, und ihre nackten Füße steckten in Holzschuhen.
    Als Robert und Marie näher traten, sah sie auf und starrte den beiden prächtig gekleideten jungen Menschen neugierig entgegen. Es kam nur selten vor, dass Reisende sich zu ihnen verirrten.
    „Habt Ihr etwas zu essen für uns? Ich kann es bezahlen.“
    In die runden Augen der Frau trat ein gieriger Ausdruck. Sie nickte bejahend und lief ihnen voran ins Haus, das nur aus einem Raum

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